Nach der Mentalitätsdebatte in der vergangenen Woche erwarteten Fans und Experten einen veränderten BVB. Auftrat eine Mannschaft, die auf mehreren Positionen verändert war – ohne Hummels, mit Götze in der Startelf – aber die sich selbst nicht als Team mit bedingungslosem Siegeswillen präsentierte.

Die Fans waren klar in der Mentalitätsfrage

Starke erste Halbzeit

Schon in der 8. Minute stellte SVW die Abwehr der Schwarzgelben auf die Probe. Ein vertändelter Einwurf, inkonsequentes Abwehrverhalten von Witsel, und schon landete der Ball bei Milot Rashica, der klar nicht im Abseits gestartet plötzlich allein vor Bürki stand und keine Mühe hatte den Ball links  unten zur Bremer Führung zu versenken. Wer befürchtet hatte, dass die Dortmunder darauf geschockt reagieren würden sah sich schon eine Minute später getäuscht. Quasi im Gegenzug trieb Hakimi den Ball raus zu Piszczek, der mit einer Flanke auf den zweiten Pfosten Götze fand, der sich mustergültig in den Ball warf und zum Ausgleich köpfte. Fortan findet das Spiel von seltenen Ausflügen der Grünweißen abgesehen in der Hälfte von Werder statt, in der die Borussia auch dank ihrer Passsicherheit die Ballhoheit hat, aber aufgrund von Schwächen im Zweikampf zu wenig Abschlüsse erreicht. Hakimi, Akanji, Sancho und Hazard versuchen es, landen aber entweder bei Gebre Selassie oder knapp neben oder über dem Tor. Bei den seltenen Angriffen von Werder ist die Verteidigung jetzt genauer. Werder bleibt ein unangenehm zu bespielender Gegner, aber alles wartet auf das 2:1.

Und der Kapitän erhört die Wartenden. Nachdem er kurz zuvor den Ball mit bemerkenswertem Engagement erobert hatte, läuft sich Reus im Strafraum in Position, und wird von dem zweckmäßig von Witsel eingesetzten Hazard perfekt bedient, um den Ball kraftvoll an Gebre Selassie vorbeizuköpfen. Mit dem 2:1 geht es in die Pause, zumindest der Halbzeit-Tipp der Kirsche-Redaktion steht. Werder stellt den BVB nicht vor unlösbare Aufgaben, und auch die Mentalitätsfrage scheint für’s erste beantwortet.

Da war uns noch nach Feiern zumute

Nä, ne – wat war denn nache Pause los?

Ohne Wechsel geht es nach der Pause weiter, aber mit etwas Unordnung in der heimischen Defensive. Nach Hause verwalten wird man diesen Sieg nicht können, das dürfte klar sein. Und das sieht wohl auch der BVB so. Götze, eben noch mit Reus und Sancho auf der linken Seite unterwegs, kommt nun alleine über rechts und findet Hakimi mit einem maßgenauen Pass – leider verspringt Hakimi der Ball.

Oops – und da ist es passiert. Nachdem Piczszek in höchster Not zur Ecke geklärt hatte, bringt Werder die Ecke scharf vor’s Tor, Sargent verlängert am kurzen Pfosten mit dem Kopf – und am langen Pfosten köpft Friedl völlig alleingelassen und unbehindert von geleben Defensivspielern vor den Werder-Anhängern auf der Nordtribüne zum 2:2 ein. Der alte Bauerntrick! Ungestüme, aber wenig effektive Dortmunder Angriffe folgen.

Dortmund wechselt offensiv, in der 67. Kommt Brandt für Mo Dahoud. Kurz darauf senst Weigl den durchbrechenden Rashica an, der Werders schärfste Waffe ist, und sieht dafür zu Recht gelb. Das erhöht die Dortmunder Offensivkraft noch nicht entscheidend, daher kommt 5 Minuten später Alcacer für Götze und setzt sich sofort offensiv in Szene. Gleichwohl muss im Gegenzug erst einmal Bürki mit der Brust gegen einen Werderschuss retten. Dann wieder die Borussia, mit offensiven Szenen und einem Distanzschuss von Brandt. Die Dominanz aus der ersten Halbzeit ist verloren gegangen. Werder taucht häufiger vor seinen Fans auf, setzt Spitzen, verteidigt zugleich clever  und engagiert.

Hazard machte seinem Namen alle Ehre.

In der letzten Minute der Nachspielzeit tankt sich Brandt durch und bedient Alcacer, der kanpp über das Tor schießt, anschliessend bricht Hakimi noch einmal durch zwei Mann durch, um anschließend ins Seitenaus zu flanken. Symbolhaft für dieses Spiel. Das war es.

Wer heute gut schlafen kann:

Florian Kohfeldt, der seine Elf hervorragend auf die Begegnung in Dortmund eingestellt hat, und den nächsten Zähler für Werder einsammelt.

Kohfeldt ist schon eine coole Socke.

Wer heute Alpträume hat

Vielleicht niemand, aber von der Meisterschaft für den BVB träumen heute vermutlich auch nicht sehr viele.

Fazit:

So reicht es für internationale Plätze – aber nicht für den Anspruch der Herausforderer des FCB zu sein und schon gar nicht für die Meisterschaft. Das alte Leiden – hinten nicht sattelfest und vorner  verschwenderisch in der Chancenumsetzung – ist noch immer da und nicht zu sehen, wie es abgestellt werden könnte.

Was Pavlenka den BVB schon an Punkten gekostet hat, reicht für ein kleines Rabattmarkenheft.

Ingo Berchter, Stephan Münnich (Fotos)