Am Samstag trifft der BVB im Champions League-Finale in Wembley auf Real Madrid. Dieses Spiel ist auf mehreren Ebenen besonders – nicht nur sportlich, sondern auch emotional. Und ohne Chance ist Dortmund keinesfalls.

Ein Artikel von Falk-Stéphane Dezort

Wohl nicht einmal die kühnsten Optimisten hätten nach dem dramatischen Saisonfinale inklusiver verpasster Meisterschaft und niedergeschlagener BVB-Elf vor der Südtribüne im Mai 2023 gedacht, dass man nur etwas mehr als ein Jahr später bereits das nächste „Spiel des Jahrzehnts“ ausrufen kann, wenn nicht sogar „das Spiel der Vereinsgeschichte“. In etwas mehr als 48 Stunden steht Borussia Dortmund im Champions League-Finale – dem wichtigsten Vereinswettbewerb im Fußball – dem 14-maligen Titelträger und haushohen Favoriten Real Madrid gegenüber. Und die Westfalen fahren sicherlich nicht zum Gratulieren in die englische Metropole.

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Dortmunds Marco Reus im Champions League 2018 gegen Brügge. Foto: Kirchner-Media

Mindestens 25000 Borussen werden ihr Team im ehrwürdigen Wembley-Stadion unterstützen – den Ort, an dem Arjen Robben 2013 im „Deutschen Finale“ alle Schwarz-Gelben-Träume auf den zweiten Triumph nach 1997 kurz vor dem Ende jäh zugunsten der Bayern zerplatzen ließ. Es war damals auch das erste große Spiel von Marco Reus im Dress des BVB; erst im Sommer zuvor – nach dem Double-Sieg – wechselte er aus Gladbach ins Ruhrgebiet. Und sollte dort bis heute bleiben.

Wird der „Unvollendete“ vollendet?

Es wäre an fußballromantischem Kitsch kaum zu überbieten, wenn sich für Reus, dem Dortmunder Jung, in Wembley in seinem 429. Spiel (das 72. in diesem Wettbewerb) ein Kreis schließen würde – nämlich mit seinem letzten Spiel für seinen Herzensvereins nach mehreren Supercup-Triumphen und zwei DFB-Pokalsiegen doch noch einen „großen Titel“, den Henkelpott, mit an den Borsigplatz zu bringen und als „vollendete“ Legende Abschied zu nehmen. „Es gibt nichts besseres als das letzte Spiel im Champions-League-Finale zu bestreiten und zu gewinnen. Man kann sich gar nicht vorstellen, was am nächsten Tag in Dortmund los wäre“, sagte Reus kürzlich in den BVB-Vereinsmedien. Und Emre Can sagte: „Wir werden alles dafür tun, Gas geben und füreinander arbeiten. Um dort zu bestehen, muss man mit Selbstvertrauen und einer breiten Brust hinfahren. Das werden wir definitiv.“

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Mit einem Sieg würde sich für Reus der Kreis schließen. Foto: Stephan Münnich

Motiviert werden muss bei der Borussia niemand – weder Fans noch Team oder Staff. Täglich mehrere Post in den Sozialen Netzwerken entfachen schon seit Wochenbeginn das Feuer, das am Samstag von den Rängen auf den Rasen übergehen soll. Eines ist sicher: Dortmund wird gelb (die Fanszene hat ein Farbmotto ausgerufen). Neben den 25000 im Stadion, werden mindestens doppelt so viele Borussen ohne Ticket in London erwartet. Auch die dank des Brexits neue Hürde, dass man für eine Einreise in das Vereinigte Königreich einen Reisepass benötigt, ließ die Fans kalt. Die Dortmunder Bürgerämter schoben Extraschichten, um möglichst alle Pass-Eilanträge rechtzeitig zu bearbeiten.

„Waren lange nicht so nah dran wie jetzt“

„Wir wollen alles investieren, um den Pott nach Dortmund zu holen. Es ist viel zu lange her. Wir waren lange nicht so nah dran wie jetzt“, beschwört Dortmunds Coach Edin Terzic, der vor elf Jahren noch als Fan auf der Trübine stand. Auf ein erneutes bitteres Ende wird er sicherlich verzichten können.

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In LonDOn will der BVB noch einmal mit seinen Fans jubeln. Foto: Kirchner-Media

Rein auf dem Papier ist der BVB der klare Außenseiter. Das war er aber auch in der Gruppenphase, die die Westfalen bekanntlich trotz eines holprigen Starts mit nur einem Zähler aus zwei Spielen am Ende sogar vor den überbezahlten Starspielern aus Paris gewann. Und auch beim Wiedersehen im Halbfinale hatte der BVB mit zwei 1:0-Siegen das bessere Ende für sich – auch wenn viel Aluminumglück mit im Spiel war. Doch dieses Glück braucht man, um auch als David gegen den schier übermächtigen Goliath zu bestehen. Und um eine der größten Phrasen im Fußball nicht zu vergessen: Es ist nur ein Spiel – und ihm Fußball ist alles möglich.

P.S. Toni Kroos, für den das Finale das letzte Spiel im Vereins-Fußball ist, wird eine Niederlage sicherlich verkraften können – schließlich gewinnt er im Juli im eigenen Land mit der Deutschen Nationalmannschaft den ihm im Schrank noch fehlenden Europameisterschaftstitel.

„GibmichdieKirsche“ wird am Wochenende ebenfalls in London mit dabei sein – auf unseren Social Media-Kanälen bei Facebook und Instagram nehmen wir euch mit auf unsere Reise.