Der BVB gewinnt zum siebten Mal hintereinander den Bundesligastart – Rekord. Eine Frage bleibt: Was steckt in dem Team außer Haaland?
Danke an die 25.000 Zuschauer im Westfalenstadion. Ihr habt uns etwas zurückgegeben, was wir schon fast ein bisschen vergessen hatten: Stimmung und Atmosphäre. Jeder einzelne hat für zwei gesungen, gebrüllt und geklatscht. Ja, fast klang es so wie ein volles Stadion. Einfach geil! Und nicht nur Marco Reus wird schon beim Warmmachen „Gänsehaut gehabt“ haben.
Von diesem Rausch, endlich wieder gemeinsam mit den Fans das Stadion zu betreten schien auch die Borussia beflügelt. Fünf Tore – dazu ein paar Abseitstore, eines nachdem der Ball schon im Aus war und ein Eigentor. Die Borussia legte einen blitzsauberen Start hin. Eintracht Frankfurt wurde mit Tempo und Dynamik überrannt.
Haaland, der „Außerirdische, der in den Zaubertrank fiel“
Immer mitten drin Erling Haaland. Der Norweger schoss zwei Tore selbst und legte die anderen drei auf. „Der Außerirdische“ (Sport1), „Wie in Zaubertrank gefallen“ (Süddeutsche), „Furioses Sturmjuwel“ (Reviersport), – die Medien überschlagen sich in Lobeshymnen. Natürlich zu Recht! Aber auch Haaland allein kann keine Spiele und keine Titel gewinnen. Deshalb lohnt sich vielleicht doch der Blick auf den Rest der Mannschaft.
Hinter, neben oder wo auch immer tummelten sich gegen die Eintracht die Offensivkräfte. Reyna, Reus, Hazard und ein offensiv eingestellter Bellingham wechselten lustig die Positionen und boten so immer wieder Anspielmöglichkeiten. Diese wurde fleißig genutzt und mit schnellem Weiterspielen rissen sie Schwarzgelben die Lücken in die zumeist Haaland aber eben auch die anderen hineinstoßen konnten. Das Mittelfeld wurde so schnell überwunden, dass die Eintracht-Dreierkette oft hilflos dem Ansturm gegenüberstand.
Reus erzielt zum 40. Mal das Führungstor
Ein Marco Reus in Bestform erzielte nicht nur seinen 100. Ligatreffer für den BVB, er brachte damit auch schon zum 40. Mal seinen Klub mit 1:0 in Front. Hazard traf, Reyna traf – also doch mehr als nur der „Außerirdische, der in den Zaubertrank gefallen ist“.
Dahoud als einziger Sechser war einer, der diese Aufgabe kreativ ausfüllte. Also nicht nur Bälle erobern, er ist auch in der Lage diese dann schnell weiter zu verteilen. Ganz nebenbei war er mit mehr als 12 Kilometern auf der Eifrigste auf dem Platz.
Baustelle Abwehr
Nur gut, dass es beim BVB auf dem Weg nach vorn so gut läuft. Hinten gibt es nämlich noch Einiges zu verbessern. Witsel als Innenverteidiger kann ja nur eine Notlösung sein. Seine Ruhe am Ball ist sicher ein dicker Pluspunkt, aber als Anführer der Viererkette taugte das dann doch eher nicht. Zu oft kamen vor allem im zweiten Durchgang die Gäste zu Chancen. Linksverteidiger Schulz stand dann plötzlich allein gegen die Frankfurter Sturmspitze Borre und sah da nicht besonders gut aus, weil er ein Kopfballduell verlor und ein anderes Mal einfach zu weit weg vom Frankfurter Stürmer war.
Ja, da sah man, dass die Abstimmung hinten nicht so stimmt. Unglücklich sicher auch das Eigentor von Paßlack, der aus 16 Meter eigentlich wunderschön ins lange Eck traf. Er wollte aus vollem Lauf den Ball wegschlagen und haute etwas blind dazwischen und überraschte seinen Keeper. Kobel konnte diesen Ball zwar nicht halten, aber sich bei anderen Bällen mehrfach auszeichnen. Beim zweiten Gegentor stand Hauge völlig frei und hatte keine Mühe, den Ball an Kobel aus 4 Metern einzuschieben. Das war ein BVB-Gegentor wie man es in der vergangenen Saison viel zu oft kassiert hat – nach einem Standard.
Verbesserungspotenzial
Über die Gegentore ärgerte sich auch Trainer Rose: „Man kann ja nicht davon ausgehen, dass wir jedes Mal drei Tore schießen, also sollten wir keine zwei bekommen“. Also bleiben für den Trainer durchaus noch Dinge, die es zu verbessern gilt. Und er ist sicher weit davon entfernt, sich und seine Mannschaft auf den Schild des Meisterschaftsfavoriten zu heben, wie es einige Medien schon wieder machen wollen. Insgesamt war der Auftritt gegen Frankfurt gut und macht Laune auf die nächsten Auftritte. Aber man darf ruhig etwas weniger emotional sein, denn die Eintracht aus Frankfurt war in dieser Form kein Klub, der um die internationalen Plätze spielen wird.
Ein Gradmesser über die wahre Leistungsstärke der Borussia könnte der Supercup am Dienstagabend gegen die Bayern sein. Die werden sicher hinten etwas besser stehen als die Eintracht und vor allem die BVB-Abwehr noch ein wenig mehr auf die Probe stellen.
Ein weitere wichtige Frage ist aber auch nach dem Supercup nicht beantwortet: Wann dürfen die fehlenden 56.000 Fans wieder mit dabei sein? 25.000 sind ein schöner Anfang, aber wir alle wollen mal wieder ins Stadion.
Text Andreas Römer, Fotos: Kirchner-Media David Inderlied