Borussia schafft sich eine gute Ausganglage für die Champions League indem sie Inter Mailand mit 3:2 besiegt. Zur Halbzeit hatte der BVB noch 0:2 zurückgelegen.

Man munkelt, der BVB hat beim DFB die Forderung eingereicht, in München am kommenden Samstag nur die zweite Hälfte gegen die Bayern spielen zu müssen. Nachdem gegen Wolfsburg und auch gegen Inter die erste Halbzeit naja eher mau war und die Mannschaft danach deutlich mehr zu bieten hatte, wäre solch ein Wunsch sicher logisch. Jeweils drei Tore in den zweiten 45 Minuten, da wäre es doch eine gute Idee, nur diese zu spielen.

Was ist das für ein Muntermacher?

Aber mal ganz im Ernst, was haben die Jungs die letzten Spiele in ihrem Pausentee gehabt? Ich will das auch haben, scheint es doch ein echter Muntermacher zu sein. Wie ist es sonst zu erklären, dass die Schwarzgelben wir Duracell-Häschen auf Speed aus der Kabine kommen und mindestens einen Gang höher schalten? Noch fällt es schwer, sich vorzustellen, der eher zurückhaltende Trainer könnte die richtigen Worte gefunden und seine Spieler verbal in den Hintern getreten haben.

Schulz auf dem Weg nach vorn im Zweikampf mit Godin

Die Fans haben auch ihre liebe Müh und Not, mit der aktuellen Situation umzugehen. Gegen Wolfsburg fragte sich schon der eine oder die andere, wie man denn wohl ein Tor hinkriegen sollte. Hoffentlich machen die Gäste noch ein Eigentor – richtige Chancen hatte sich der BVB in Halbzeit eins ja nicht herausgespielt. Und dann gab’s gleich drei Stück und das war auch gut so.

Aber unter uns: Das war am Dienstagabend ja keinen Deut besser – eher viel schlimmer. 0:2 gegen eine italienische Mannschaft – da kann man doch eigentlich einen Haken dran machen. Zudem hatte der BVB noch nie einen 0:2-Rückstand in der Champions League gedreht. Inter Mailand hat anders herum auch noch nie eine 2:0-Führung in der Champions League vergeigt.  Wo also die Hoffnung hernehmen?

Es muss also was im Pausentee gewesen sein oder die Südtribüne hat ihre Magie mal wieder in voller Wucht verbreitet. Denn schon am Samstag fielen alle Tore der Borussia vor der geilsten Tribüne der Welt und auch gegen Mailand schlug es dreimal vor den Augen der treuesten und feierfreudigsten Fans ein. Die hatten vor Anpfiff noch den 20. Geburtstag der nicht immer unumstrittenen Ultragruppe Desparados mit gelungener Choreo gefeiert und brachten natürlich das Stadion zum Kochen.

Hakimi ist überall

Chefkoch war aber diesmal Achraf Hakimi. Der Marokkaner war der mit Abstand beste Spieler auf dem Platz und obwohl nominell wohl rechter Verteidiger überall zu finden. Wenn er startete war bei Inter Alarm. Man konnte sehen, wie Hakimi hinten Bälle eroberte, rechts nach vorn stürmte und irgendwie wohl auch seine eigene Hereingabe in der Mitte verwandelte. Zwei Tore hat er mit Tempo, purem Willen und genialen Mitspielern erzielt und Borussia mal wieder einen magischen Fußballabend beschert.

Nix zu machen: Bürki streckt sich vergeblich beim zweiten Inter-Tor.

Trotzdem muss man einmal darüber nachdenken, woher die unterschiedlichen Halbzeiten kommen. Akanji wirkte vor der Pause ängstlich und unsicher – in der zweite Hälfte ließ er nichts mehr anbrennen. Sancho brachte es in Halbzeit eins auf kein einziges gelungenes Dribbeling, seine Pässe gingen in der Mehrheit zum Gegner. Dafür war er dann an zwei Toren beteiligt – da mag doch brüllen „Wieso nicht gleich so?“

Und damit muss man ja quasi jeden Feldspieler ansprechen. Torhüter Bürki war die ärmste Sau auf dem Platz. So gut wie nichts zu tun, aber zweimal die Murmel aus dem Kasten holen. Was für eine Dreckshalbzeit. Aber alle, die sich vor im tummelten liefen in Richtung Südtribüne ein bisschen schneller, waren aggressiver, zielstrebiger und mutiger. Damit fand die Mannschaft ihren Rhythmus und ließ den Catenaccio-Experten aus dem Norden Italiens keine Pause mehr und spielte sie an die schwarzgelbe Wand.

So wurde auch einem Schock noch ein unerwarteter geiler Fußballabend im Westfalenstadion, von dem man vielleicht noch länger sprechen wird. Immerhin ist die Ausgangslage jetzt gut, im Champions League-Wettbewerb zu überwintern. Zumindest hat man es jetzt in der eigenen Hand, die nötigen Punkte für den Einzugs in Achtelfinale zu holen,

Viel Arbeit für Hummels – Martinez war ständig ein Unruheherd.

Einen Tag wird man sich vielleicht gefreut haben – aber wir allen denken sicher mit dem ganzen Verein an den German Classcico am Samstag in München. Sollte der BVB dort was holen, wird sich mancher schämen, der den Trainer schon rausschreiben wollte. Aber so weit sind wir ja noch nicht. In den letzten vier Jahren gab es immer eine dicke Packung in der Arroganz-Arena. Aber wenn wir vielleicht tatsächlich nur die zweite Hälfte spielen dürfen….

Andreas Römer, Fotos: Kirchner/Christopher Neundorf