Eine völlig desolate erste Hälfte der Borussia reicht dem Tabellenletzten der Bundesliga letztendlich für einen völlig unerwarteten Punktgewinn im Westfalenstadion.
Einfach taktierende Paderborner bringen den BVB an den Rand einer Niederlage und lassen Favres Stuhl weiter wackeln.
Die Ausgangslage
Nach der Schmach von München, der berechtigten Schelte von allen Seiten und der Länderspielpause wollte Favre in der Pressekonferenz eigentlich nichts mehr von der Vergangenheit hören, sondern nur noch nach vorne blicken. Insgesamt 8 Spiele bis zur Winterpause bleiben Favre noch um den Dreh zu schaffen, für sich und seine Mannen. Ruhe und Stabilität aufzubauen und den Schwarzgelben wieder Mumm einzuhauchen. Hasenfüße wie in der Bayerischen Hauptstadt kann keiner gebrauchen.
Dank der momentanen Tabellenkonstellation ist ja alles noch eng zusammen, auch wenn es bis zur Spitze schon 6 Punkte sind. Favre will das seine Jungs „Gas geben“. Wäre gut für ihn und für die Tabelle. Der heutige Gegner sollte es Favres Elf auf dem Papier eigentlich leicht machen. Tabellenletzter und erst ein Unentschieden Auswärts.
Aber, aber, aber …. Auf jeden Fall sind die Spieler des BVB in der Pflicht hier und heute ein anderes Gesicht zu zeigen als zuletzt. Delaney wird mit einer Bänderverletzung im Sprunggelenk erst wieder im neuen Jahr einsteigen können. Die Aufstellung mit den wiedergenesenen Alcacer und Reus in der Anfangsformation lässt zumindest in der Offensive auf frischen Wind hoffen. Die Borussenfamilie will heute Tore sehen.
Borussia Dortmund: Bürki, Sancho, Dahoud, Alcacer, Reus, Guerreiro, Schulz, Hummels, Piszczek, Witsel, Weigl
Bank: Hitz, Zagadou, Hakimi, Götze, Akanji, Brandt, Hazard, Schmelzer
SC Paderborn 07: Zingerle, Gjasula, Pröger, Schonlau, Kilian, Jans, Collins, Mamba, Zolinski, Holtmann, Vasiliadis
Bank: Huth, Hünemeier, Strohdiek, Oliveira, Michel, Shelton, Sabiri, Antwi-Adjei, Dräger
Der Spielverlauf
So schnell geht es leider mal wieder. Hut ab nach eigenem Freistoß und Eckball lässt sich Schulz beim Konter der Paderborner auf der linken Aussenbahn von Pröger einfach überlaufen und ratz fatz steht es 0:1 (5.) für den Aussenseiter. Mamba lässt Bürki keine Chance. So geht Fussball. Borussia scheint an die Leistung des letzten Spiels in München anknüpfen zu wollen.
Verunsicherung wo man hinschaut. Selbst Witsel schon mit seinem zweiten Ballverlust. Erst als das Stadion aufsteht rollt der erste gute Angriff nach 15 Minuten in Richtung des Paderborner Tores. Guerrero schiesst aber knapp vorbei, wie auch bei seiner zweiten Chance nach 25 Minuten. Das ist es aber auch schon was die Schwarzgelben zustande bekommen und Paderborn nutzt den Spielstand, um sich aufs Kontern zu verlegen.
Ein Armutszeugnis gegen diesen Gegner der weiß Gott nicht die Sterne vom Himmel spielt.
Nein er hat einfach nur schnelle Spieler. Jetzt wird es blamabel. Mamba schlägt zum zweiten mal zu. Nachdem Dortmund weit aufgerückt ist sprintet Mamba nach einem schönen Steilpass auf und davon (0:2 37.) und lässt die Grundfesten des Westfalenstadions erzittern.
Als Holtmann an der Seitenlinie den langsamen Weigl einfach überrennt und zum 3:0 für Paderborn Bürki tunnelt, brechen alle Dämme der Unterstützung für Schwarzgelb und Paderborn bekommt Szenenapplaus. Fühlt sich an als wenn da eine Mannschaft gegen den Trainer spielt.
Die, bei allem Respekt, minderbemittelten Paderborner spielen sich in einen Rausch gegen eine scheinbar völlig wehrlose Borussia. Noch vor der Pause muss Alcacer verletzt gehen und Brand darf sich in den Reigen der Glücklosen einfügen.
Das gellende Pfeifkonzert zur Pause sagt, was die Zuschauer zum jetzigen Zeitpunkt über die (Nicht-)Leistung der Mannschaft mit Recht denken. Noch zu wenig Pfiffe für so eine Vorstellung.
Totale Offensive nach der Pause
Nach der Pause kommen noch Hazard und Hakimi für Dahoud und Schulz. Favre setzt jetzt auf totale Offensive. Und es scheint zu funktionieren, Sancho netzt sofort zum 1:3 ein. Alle schöpfen jetzt wieder Hoffnung und ein Ruck scheint durch die Mannschaft gegangen zu sein. Aber noch fehlt die Durchschlagskraft und die Präzision.
Immer wieder bleiben die jetzt schneller vorgetragenen Angriffe irgendwo im Paderborner Getümmel hängen. Nach der anfänglichen Euphorie nach dem 1:3 scheint schon wieder der Schlendrian aufzukeimen. Paderborn gelingt jetzt beinahe noch das 1:4. So langsam läuft auch die Zeit davon will man hier noch etwas Zählbares holen. Trotz der Enttäuschung der ersten Halbzeit steht die Süd hinter der Mannschaft und treibt sie nach vorne.
In der 84. Minute ist es dann Witsel der mit einem platzierten Kopfball zum 2:3 Anschluss Zingerle im Tor der Paderborner überwindet. Ein Angriff nach dem Anderen rollt jetzt auf das Paderborner Tor. 4 Minuten Nachspielzeit haben die Borussen jetzt noch. Sancho mit einer feinen Flanke von links außen auf Reus, der mit dem Kopf zum 3:3 Endstand. Ein 0:3 Rückstand aufgeholt ja, aber darüber freuen mag sich so recht keiner.
Wer heute gut schlafen kann
Paderborns Trainer Steffen Baumgart, der mit seiner Analyse der Dortmunder Schwächen wohl goldrichtig lag aber wohl auch etwas verdutzt dreingeschaut haben muss als seine Mannen mit einer 3:0 Führung in die Pause gegangen sind.
Mamba der wohl nie gedacht hätte eine Dortmunder Hintermannschaft nur durch Geschwindigkeit zu überspielen, die ihm quasi zweimal den roten Teppich ausgerollt hatte.
Wer heute Alpträume hat
Jeder BVB-Fan der sich so fühlt, müssen die Pfiffe gegen die eigene Mannschaft in der Seele weh getan haben obwohl sie mehr als berechtigt waren. Der Schreck sitzt tief, insbesondere nach der Pleite in München, nochmal so einen Schlag in die Fr…. bekommen zu haben.
Was uns sonst noch aufgefallen ist
Selbst dem an sich redseligen Michael Zorc waren nur wenige Worte nach dem Spiel zu entlocken:
„Ich bitte um Verständnis das ich direkt nach dem Spiel nicht so viel sage außer das die erste Halbzeit komplett inakzeptabel war und das man sich dafür bei den Zuschauern entschuldigen muss, morgen ist auch noch ein Tag.“
Etwas mehr war Mats Hummels zu entlocken: „Zu billige Gegentore, drei Konter bzw. lange Bälle indem sie uns einfach jeweils davonlaufen, ganz simpel, die einfachste Art des Fußballs und unser ganz großes Problem die einfachen Ballverluste. Wir verlieren Bälle in Situationen wo der Gegner noch nicht einmal Druck auf uns ausübt, das ist unser großes Manko, und dann war auch sonst nicht viel gutes dabei muss man sagen.
Wir haben das Pressing nicht hundertprozentig durchgezogen und dann spielt sich eine Mannschaft wie Paderborn, Repekt erstmal, wie sie das gemacht haben, haben sich nicht von unserem nicht guten Pressing beeindrucken lassen und hatten in allen drei Szenen Geschwindigkeitsvorteile die zu den Toren geführt haben. Es waren viele Mankos heute in der ersten Halbzeit. Es fällt echt schwer da gute Sachen zu finden. Aber es war in fast allen Belangen viel zu wenig von uns und das wissen wir auch. Ich glaube nicht das jemand mit einem anderen Gefühl hier rausgeht.“
Zur Halbzeitansprache: „Erst mal hat der Trainer gesagt wir sind noch nicht raus aus dem Spiel, wir müssen nur ein Tor schießen dann kommen wir wieder rein. Dann entwickeln wir vielleicht noch einmal die Dynamik um das noch zu schaffen.
Dank an die Fans
Ich fand die Unterstützung der Fans in der zweiten Halbzeit bemerkenswert, weil wir auch immer nach dem 1:3 Phasen hatten, obwohl wir wollten nicht so gut funktioniert hat, trotzdem war der Support da und ist immer wieder aufgekeimt und das hat uns dann am Ende auch geholfen die Tore zu machen. Ganz elementar war natürlich das wir auf 4-1-4-1 umgestellt haben. Mit und gegen den Ball hat uns das sehr geholfen. Wir tun uns im 4-1-4-1 leichter zu Pressen. Die Pfiffe gab es heute zu Recht selbst nach dem Abpfiff obwohl man drei Tore aufgeholt hat kann man im Gesamtkontext Pfiffe verstehen.“
Fehlerhäufigkeit
Angesprochen auf die Fehlerhäufigkeit: „Weil jeder muss sich dessen bewußt sein, dass das wichtig ist, dass diese Fehler einer Mannschaft viel kosten. Ich rede vor allem von einfachen Ballverlusten, Unkonzentriertheiten, von Situationen in denen man ohne Gegnerdruck den Ball irgendwie dem Gegner in den Fuß spielt oder ins Aus spielt. Davon haben wir einfach zu viel. Ich war jetzt drei Jahre in München, bei Bayern da wird das ganz groß geschrieben, dass das eben nicht passiert.
Es ist absolutes Qualitätsmerkmal für Topmannschaften das man den Gegner mit dem Ball kontrolliert oder dominieren kann, und das schaffen wir eben überhaupt nicht weil wir den viel zu leicht wieder her geben.“ Angesprochen auf die unterschiedlichen Halbzeiten: „Es ist kein fußballerisches Problem, wir können das schon, dass ist Konzentration, Fokussierung, manchmal auch inhaltliche Dinge das wir vom 4-2-3-1 auf 4-1-4-1 uns leichter getan haben, aber Konzentration und Fokus auf die relevanten Dinge im Fußball sind neben allem Talent das wir haben, ganz wichtig.“
Die alten erfahrenen Spieler versuchen schon auf die jüngeren einzuwirken, obwohl auch die erfahrenen nicht fehlerlos seien.
Über große Dinge wie Saisonziele wolle er jetzt noch nicht reden: „da schauen wir mal wie sich das bis zur Winterpause noch entwickelt.“
Trainerdiskussion?
Zur Trainerdiskussion sieht er keine Notwendigkeit: „Wir sind es auf dem Platz die die Fehler machen, da würde ich mal ganz deutlich sagen, dass das nichts mit der Trainerposition zu tun hat, wenn wir einfach ohne Druck die Bälle herschenken.“
„Schaun wir mal“, ließ er sich noch mit Blick auf Barcelona entlocken.
Text: Oliver Römer, Bilder: Neundorf/Kirchner-Media