Zu Null bleiben und eine gute Ausgangslage schaffen – so lautete die Zielsetzung des BVB vor dem Achtelfinal-Hinspiel im ausverkauften Westfalenstadion gegen den OSC Lille. Nach 90 zeitweise einschläfernden Minuten war klar: beide Ziele wurden verfehlt. Karim Adeyemi brachte die Borussia nach 22 Minute mit einem Traumtor in Führung, Hákon Arnar Haraldsson glich in der 68 Minute aus. Es waren die beiden einzigen Torschüsse im Spiel.

Aus dem Westfalenstadion berichtet Falk-Stéphane Dezort

Mit dem Rückenwind aus zwei Bundesliga-Siegen in Folge (6:0 gegen Union, 2:0 gegen St. Pauli) wollte die Borussia auch im Achtelfinal-Hinspiel gegen den OSC Lille vor heimischen Publikum für eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel am 12. März in Frankreich sorgen. Eine nennenswerte Änderung gab es in der Startelf des BVB: Julian Brandt rotierte für Maximilian Beier zurück ins Aufgebot. Und Julian Ryerson hat sich von seiner Grippe erholt, für ihn machte auf der rechten Abwehrseite Yan Couto Platz.

Ein Feuerwerk wollte die Mannschaft abbrennen, das Stadion sollte brennen. So die vollmundigen Ankündigungen des BVB im Vorfeld der Partie. Doch zu sehen war davon erst einmal nichts. Sowohl die Westfalen als auch die Gäste spielten zunächst äußerst abwartend. Guirassys Abschluss nach zehn Minuten aus aussichtsreicher Position ans Außennetz bot im ersten Durchgang eine Seltenheit. Zumal die Borussia Lille den Ball überließ – 62 Prozent Ballbesitz für den OSC sprachen für sich.

Per Direktabnahme sorgte Karim Adeyemi für die BVB-Führung. Foto: Kirchner-Media

Adeyemi per Direktabnahme; Brandt unglücklich

Nach gut 20 Minuten nahmen die Spielanteile auf Seiten des BVB zu. Und dank einer traumhaften Direktabnahme von Karim Adeyemi nach einer Kopfballabwehr nach einer Ecke explodierte das Westfalenstadion nach 22 Minuten. Es sollte das einzige Mal an diesem Abend bleiben. „Wir hätten nachlegen müssen“, sagte Pascal Groß. „Wir haben in der zweiten Halbzeit dann die Kontrolle verloren und Lille viel Selbstvertrauen gegeben. Aber es ist noch alles drin.“

Aufregender wurde die Partie aber nicht – auch weil es der BVB verpasste, seine Kontersituationen ideal auszuspielen. Bezeichend dafür war die 33. Spielminute. Im Gegenpressing eroberte sich die Elf von Nico Kovac am gegnerischen Strafraum den Ball, Brandt tänzelte sich in den Fünfmeterraum, fand dann aber keinen seiner drei freistehenden Mitspieler, sondern spielte die Kugel ins absoluten Nichts. „Wir haben das in der ersten Halbzeit gut gemacht und haben zurecht das Tor gemacht“, sagte Coach Kovac nach der Partie.

Für Brandt war es bis dato ein gebrauchter Tag für Brandt – zahlreiche Stockfehler und Fehlpässe bestimmten sein Spiel. Für viele Fans im Umfeld des BVB ist er eines der Gesichter des kriselnden Pottvereins. Als er zuletzt zwei Mal nicht spielte beziehungsweise nicht in der Startelf stand, gewann der BVB.

Wirkte im ersten Durchgang sehr unglücklich: Julian Brandt. Foto: Kirchner-Media

In der Nachspielzeit des ersten Durchgangs wurde die Borussia noch einmal gefährlich – na klar, nach einer Ecke. Die Hereingabe von Ryerson leitete Marcel Sabitzer weiter. Beinahe lenkte ein französisches Abwehrbein den Ball ins eigene Netz. Darin zappelte das Leder bei der nachfolgenden Ecke. Doch bei der Kopfballverlängerung von BVB-Kapitän Emre Can stand Pascal Groß, der den Ball über die Linie drückte, im Abseits. Die Schiedsrichter-Entscheidung wurde vom VAR zügig bestätigt.

Ein Steckpass genügt

Unverändert ging der BVB in den zweiten Abschnitt – auch spielerisch blieb das gewohnte Bild. Die Westfalen überließen den Gästen viel den Ball, wirklich etwas damit anzufangen wussten sie lange Zeit nicht. So etwas wie gefährlich wurde es in der 54. Minute als sich Jonathan David durch die Abwehr stolperte und beinahe frei zum Abschluss gekommen wäre. Kovac rief derweil immer wieder Brandt zu sich und gab ihm taktische Anweisungen mit auf den Weg.

Tor zum 1:1 durch Hakon Arnar Haraldsson. Foto: Kirchner-Media

Die Borussia bot weiterhin Schlafwagen-Fußball und wurde bestraft: Ähnlich wie die Hausherren stellte auch Lille mit dem ersten Schuss auf das Tor von Gregor Kobel auf 1:1. Ein simpler Steckpass auf Hákon Arnar Haraldsson genügte (68.). „Es war zu wenig Itensität. Wir hätten es auch defensiv besser machen müssen“, haderte BVB-Kapitän Emre Can nach der Begegnung. Nur sechs Minuten später verhinderte Nico Schlotterbeck im Laufduell Schlimmeres. Der BVB musste aufwachen, drohte er doch, das Heimspiel auch ergebnistechnisch gänzlich aus der Hand zu geben. „Wir waren viel zu passiv. Wir sind nicht dorthin gegangen, wo es weh tut“, sagte Can. Man hätte mutiger und mit mehr Intensität spielen müssen. „Das müssen und können wir“, betonte der Verteidiger. „Wir haben den Ball zu schnell weggegeben. Wir sind immer wieder in die Situation gekommen, dass wir hinterherlaufen mussten“, meinte Kovac.

Daniel Svensson (r.) musste nach einem Zweikampf verletzt ausgewechselt werden. Foto: Kirchner-Media

Svensson verletzt ausgewechselt

Einen Schockmoment für den BVB gab es aus einem anderen Grund: Nach einem Zweikampf am Mittelkreis blieb Winter-Neuzugang Daniel Svensson verletzt liegen und hielt sich das Knie. In der Wiederholung sah man, dass ihm sein Gegner auf die Wade gestiegen ist und er sich dabei das Knie verdreht hat. „Es war ein unglücklicher Zusammenprall. Es geht ihm soweit aber gut“, antwortete Kovac auf die Frage, wie es dem Dänen geht. „Wir müssen schauen, was bei der genauen Untersuchung herauskommt.“ Der VAR überprüfte die Szene mit Blick auf einen Platzverweis – der blieb allerdings aus. Kovac versuchte nun mit einen Dreifachwechsel noch etwas zu bewegen. Couto, Bensebaini und Reyna kamen für Svensson, Ryerson und Brandt.

Emre Can (links) ist trotz des schwachen Auftritts zuversichtlich. Foto: Kirchner-Media

Aber auch dieser Versuch verpufft. Die Kovac-Elf gab gegen ebenfalls nicht überragend aufspielende Franzosen eine Halbzeit-Führung aus der Hand und muss in der kommenden Woche zwingend gewinnen. Zwei Ziele hatte man sich vor der Partie gesetzte: Zu Null bleiben und eine gute Ausgangslage schaffen – beides wurde verfehlt. „Wir haben nicht das gezeigt, was wir wollten“, sagte Torschütze Adeyemi nach der Partie beim TV-Sender Amazon Prime. „Es war generell unsauber von der Mannschaft. Vielleicht hatten wir noch schwere Beine vom Wochenende, aber das darf keine Ausrede sein. Wir müssen hier zu Hause gewinnen.“ Und sein Trainer ergänzte: „Es ist Achtelfinale in der Champions-League. Das gibt es keine Laufkundschaft.“

„Ich glaube daran, dass wir weiterkommen“

Trotz des Remis ist natürlich im Rückspiel noch alles drin – darauf beschwören sich auch die Akteure. „Es wird in Lille nicht einfach, aber wir werden mit breiter Brust dorthin fahren. Ich glaube daran, dass wir weiterkommen.“ Doch zuvor steht am Samstag das Heimspiel gegen den FC Augsburg an. „Danach gehen wir noch einmal auf Lille ein. Wir erwarten dort einen harten Kampf. Unser Anspruch und Ziel ist, dort in die nächste Runde zu kommen“, betonte Kovac.