Boah ey, Borussia! Nach einer „magischen Nacht“ im Westfalenstadion steht der BVB im Halbfinale der Champions League. Mit 4:2 schickten die Westfalen Atletico Madrid nach der 1:2-Pleite im Hinspiel auf die Heimreise. Und das Spiel erinnerte in sehr vielen Momenten an die unvergessliche Reise durch Europa 2013 – und das Endspiel im Londoner Wembley-Stadion ist zum Greifen nah. Aber der Reihe nach.
Aus dem Westfalenstadion berichtet Falk-Stéphane Dezort
Schwarz-gelbe Partynacht in drei Akten – Akt 1: Euphorie.
Wie viel zu selten in der Saison war gegen Madrid von der ersten Sekunden an zu merken: „heute geht was“. Der BVB, der seit neun CL-Heimspielen nicht mehr verloren hat, kam explosiv aus der Partie und hätte nach etwas mehr als 120 Sekunden bereit in Führung gehen können, wenn nicht sogar müssen. „Jeder hatte eine unglaubliche Bereitschaft, das war der Schlüssel“, sagte der Dortmunder Angreifer Niklas Füllkrug nach der Partie. Aber der BVB hatte auch eine große Portion Glück, dass Alvaro Morata im direkten Gegenzug nicht die Spanier in Führung schoss (5.).
Nichtsdestotrotz: Der BVB spielte seine mitunter besten 20 Minuten in der Spielzeit – nur der Treffer fehlte. Auch weil die Borussia immer wieder am starken Jan Oblak im Kasten der Gäste scheiterte – beispielsweise Julian Brandt (16.) oder Karim Adeyemi (18.)
Zum Tollhaus wurde das Westfalenstadion dann aber in einer Phase, in der Spiel etwas ausgeglichener wurde und Madrid mehr Spielanteile bekam. Mats Hummels, der vor der Partie für 500 Spiele in Schwarz-Gelb ausgezeichnet und gefeiert wurde, machte seinem Spitzennamen alle Ehre und bediente gefühlvoll mit dem Außenrist Brandt, der aus sechs Metern zum 1:0 einschob. Nur fünf Minuten später vollendete Ian Maatsen ein blitzschnelle Kombination mit Jadon Sancho und Marcel Sabitzer zum 2:0. Unter tosendem Beifall ging es in die Pause.
Akt 2: Ernüchterung
Wer in der Pause dachte, das Halbfinale ist eingetütet, wurde eines Besseren belehrt. Nun kam Atletico deutlich druckvoller aus der Kabine. Der eingewechselte Angel Correa hatte den Anschluss auf den Fuß – aber ähnlich wie Morata setzte er die Kugel neben den Kasten. Erfolgreicher war das Hummels, der wenig später eine Kopfball-Hereingabe unglücklich ins eigene Netz abfälschte (49.)
Der Anschlusstreffer sorgte bei den Spaniern für mehr Rückenwind. Der BVB hatte große Mühe dem Druck standzuhalten. Das ging auch nur eine gewisse Zeit gut. Und plötzlich rückte für Dortmund das Aus in Reichweite. Correa machte es nach 64. Minuten besser als noch kurz nach Wiederbeginn und stellte auf 2:2. Auf einen Moment der Stille folgte der Push von der Südtribüne.
Akt 3: Pure Ekstase
Schon häufig hat der BVB in dieser Spielzeit solche Rückschläge erlitten – aber nur selten ist er so souverän damit umgegangen, wie an diesem Dienstagabend. Vom Ausgleich unbeeindruckt gab es nur eine Richtung: nach vorne. BVB-Coach Edin Terzic reagierte und brachte Jamie Bynoe-Gittens für Karim Adeyemi. Dies sorgte für mehr frische auf den Außenbahnen. „Die zwei Momente haben uns weh getan, aber wir haben den Glauben nie verloren und sind verdient ins Halbfinale eingezogen“, sagte Terzic. Die Hauptrollen übernahmen aber zwei andere.
Sabitzer setzte sich auf der linken Seite gleich gegen zwei Madrilenen durch und fand in der Mitte Füllkrug. Auf Höhe des Elfmeterpunkts schraubte sich der Angreifer am höchsten und fand mithilfe des Pfostens den Weg ins Glück. Es war sein erster Treffer nach neun Spielen ohne Torerfolg. „Das sorgt für eine extreme Energie. Ich hoffe, dass er ein kleiner Brustlöser für die nächsten Spiele sein kann.“
War Sabitzer in der 71. Minute noch der Vorlagengeber, sorgte er drei Minuten später selbst für eine gewaltige Fan-Explosion im Westfalenstadion. Einen Abpraller aus der zweiten Reihe brachte der Österreicher einfach mal in Richtung Tor und wurde dafür belohnt. „Marcel haben wir schon nach den letzten Spielen gelobt, dann kam die Sperre. Er kam so zurück, wie wir es uns erhofft haben. Er hat ein unglaubliches Spiel gemacht, war auch extrem engagiert im Verteidigen. Das, was er jetzt gezeigt hat, hat mit Qualität zu tun. Und das macht jedes Team besser.“
Nächster Halt: Paris
Für den BVB geht es im Halbfinale – es ist das Vierte in der Vereinsgeschichte und erste seit elf Jahren – nun gegen einen alten Bekannten aus der Gruppenphase. Im Parallelspiel setzte sich Paris Saint Germain nach dem 2:3 im Hinspiel mit 4:1 beim FC Barcelona durch. „Unser Ziel ist Wembley – alles andere wäre Quatsch“, sagte Füllkrug. „Wir sind eine stabilere Mannschaft als noch im September und November“, antwortete Terzic auf den kommenden angesprochen. Er erwartet zwei intensive und ausgeglichene Spiele. Und hoffentlich mit einer weiteren magischen Nacht in Dortmund.