Wenn eine Legende den Verein verlässt, wird das Spiel zur Nebensache. Der 4:0-Heimsieg gegen Darmstadt war schönes Beiwerk einer lang andauernden Abschiedsparty für Marco Reus. Der Dortmunder Junge belohnt sich sogar mit seinem 100. Tor im Westfalenstadion – per direktem Freistoß zum zwischenzeitlichen 2:0.
Aus dem Westfalenstadion berichtet Falk-Stéphane Dezort
Das Spiel gegen den abgestiegenen Tabellenletzten aus Darmstadt und der Borussia hätte sportlich kaum egaler sein können. Umso emotionaler und tränenreich wurde es. Nachdem Marius Wolf und Mateus Moray verabschiedet wurden – ihre Verträge werden nicht verlängert -, war es als Borusse an der Zeit, Danke zu sagen: Danke Marco Reus. Zwölf Jahre trug er als Profi das Schwarz-Gelbe-Dress, zehn Jahre verbrachte er in der Jugend. Über Rot-Weiss Ahlen und Borussia Mönchengladbach kam er im Sommer 2012 nach dem Double-Sieg zurück zu seiner großen Liebe. Er hat in seiner Zeit viel Tiefen (verpasster Champions League-Sieg 2013 und Deutsche Meisterschaft 2023) aber auch Höhen mitgemacht (Pokalsieger 2017, 2021).
Unzählige Banner auf der Gelben Wand, eine schlichte Choreo (Danke, Marco! Und die Rückennummer 11 waren zu sehen) sowie lautstarke Gesänge huldigten die Leistungen eines großen Borussen. Marco Reus hat sich einen Legendenstatus erarbeitet und ist seinem Verein immer treu geblieben. Auch als Zeichen der Wertschätzung durfte Reus „seinen BVB“ in seinem letzten Heimspiel als Kapitän aufs Feld führen – bei der Verkündung der Startaufstellung von Nobby Dickel war Marco Reus gleich mehrfach vertreten – mit einem Augenzwinkern. Fußball du kannst so schön sein. Und Marco: Mach es gut, und viel Erfolg, wo auch immer du hingehen wirst.
Erst an die Latte, dann ins Glück
Gespielt wurde im Westfalenstadion aber auch. Terzic hatte nach dem peinlichen 0:3 wieder auf bewährte Kräfte in der Startaufstellung gesetzt. Schließlich sollte sich die Elf auch noch einmal einen Motivationsschub und Selbstvertrauen für das große Spiel am 1. Juni im Londoner Wembley-Stadion gegen Real Madrid holen.
Der BVB kam besser in die Partie und hatte nach sieben Minuten durch einen Freistoß ist erste Chance, noch gefährlicher wurde es vier Minuten später als Reus die Kugel aus zentraler Position an die Latte setzte. Darmstadt war aber auch nicht nach Westfalen gereist, um Spalier beim Reus-Abschied zu stehen. Die Borussia hatte Glück, dass Marvin Mehlem aus fünf Metern über den Ball tritt (17.).
Erfolgreicher war da Ian Maatsen nach einer halben Stunde. Zunächst vollendete Marcel Sabitzer einen Sturmlauf von Karim Adeyemi und Jadon Sancho nur mit einem erneuten Aluminiumtreffer, Maatsens Schuss aus gut 20 Metern war für Lilien-Schlussmann Marcel Schuhen aber nicht mehr abzuwehren. Das war Darmstadts 83. Gegentreffer in dieser Saison.
An Kitsch kaum zu überbieten
Und noch vor der Pause folgte auch die Nummer 84 – aus Sicht der Borussia hätte dieser Treffer nicht kitschiger fallen können. Einen Freistoß aus 18 Metern aus halbrechter Position nahm sich Kapitän Reus an und traf in sein persönliches Glück (38.). Selten war der Torschrei im Westfalenstadion lauter – na gut, vielleicht bei Santanas Treffer gegen Malaga 2013. Reus jedenfalls erzielte sein 120 Bundesligator für den BVB und sein insgesamt 100. Tor im heimischen Stadion.
In der zweiten Halbzeit bot sich sportlich das gleiche Bild. Der BVB spielte einen erfrischenden Sommer-Fußball, Darmstadt wehrte sich nach Kräften. Doch nachdem Donyell Malen (62.) und Julian Ryerson (69.) vergaben, stellte der eingewechselte Julian Brandt nach toller Vorlage von Sancho auf 3:0.
Kein Auge trocken blieb dann in der 81. Spielminute. Im Spalier und unter dem Applaus von 81365 Zuschauern im Westfalenstadion verließ Marco Reus ein letztes Mal als Spieler des BVB den Platz. Schon lange hielt es keinen mehr auf den Sitzen. Nach Abpiff zog es Reus – der auf der Bank noch das 4:0 von Malen feiern durfte (88.) – mitten in die Gelbe Wand – auf das Stimmungspodest in Block 13. Sprechchöre, dankende Worte und Einheizer fürs Finale in Wembley inklusive. „Die ganze Mannschaft hat sich für Marco gefreut – es hat alles gepasst“, sagte Terzic. „Wir sind sehr zufrieden, dass wir ihm diesen Rahmen haben bieten können.“
Alles für den Henkelpott
Zurück auf dem Platz bewies aber nicht nur Reus Gefühl, sondern auch die Fans. Denn auch Mats Hummels, der unter der Woche kein EM-Ticket von Julian Nagelsmann bekommen hat, wurde von der SÜD gefeiert. Ob es für ihn beim BVB weitergeht, ist noch offen. Zunächst einmal geht es für alle in die englische Hauptstadt, auf die Mission: Holt den Henkelpott in den Pott! „Wir werden mit jedem Atemzug alles geben, um am 1. Juni top vorbereitet zu sein“, betonte Terzic und versprach: „Wir haben die große Möglichkeit, etwas für die Ewigkeit zu schaffen. Wir werden in Wembley unser bestes Saisonspiel zeigen.“