Mit einer klaren 1:3-Niederlage ist Borussia Dortmund unsanft aus den Träumen von der Meisterschaft gerissen worden. Jetzt dürfte klar sein, der Angriff auf den Titel wird kein Selbstläufer. Natürlich ist der dritte Spieltag sowieso viel zu früh, um sich um den Titel Gedanken zu machen, doch die Art und Weise wie der BVB bislang in dieser Saison agiert wirft durchaus ein paar Fragen auf.
Nominell mit einem der besten Kader der Liga ausgestattet hat es in den drei Ligaspielen bislang noch kaum zu einer wirklich überzeugenden Vorstellung der Borussia gereicht. Alle drei Gegner waren nicht aus der Gruppe, die man im Kampf um die vorderen Plätze erwartet. Der Tabellenfünfzehnte der Vorsaison und zwei Aufsteiger – das klang nicht wie das schwerste, denkbare Auftaktprogramm für den selbsterklärten Meisterschaftsanwärter aus Dortmund. In allen drei Partien gab es ein 0:1, einen Rückstand. Gegen extrem schwache Augsburger folgte immerhin eine gute zweite Halbzeit, in der noch ein klarer Sieg heraussprang. In Köln war es schon deutlich mühseliger und nur ein toller Endspurt in den letzten zehn Minuten brachte noch den Sieg. Und in Berlin?
Auch hier gelang zunächst nach der Führung der Eisernen ein schneller Ausgleich. Doch nach der erneuten Führung ging beim BVB gar nichts mehr. Und wieder einmal hapert es vor allem in der Abwehr. Nachdem schon in der letzten Saison Schwächen bei Standards nicht zu übersehen waren, scheint es nicht viel besser geworden zu sein. Die ersten Tore in Berlin fielen im Anschluss an eine Ecke. Das erste darf nie so fallen – ein flacher Ball in den Strafraum und Bölter kommt freistehend zum Schuss, der Ball findet auch noch seinen Weg durch Freund und Feind hindurch. Eigentlich unfassbar.
Nicht viel besser das Verhalten beim zweiten Gegentor, als die Mannschaft den Ball nach der Ecke einfach nicht hinten wegbekommt und erneut Bülter draufhalten und treffen darf. Überhaupt die zweiten Bälle: Da stellte sich die BVB-Abwehr mehr als einmal schläfrig an und es fehlte an Durchsetzungskraft. Der Fehler in der Innenverteidigung vor dem dritten Gegentor war obendrauf ein negativer Höhepunkt. „Wir haben heute viel zu einfach die Gegentore kassiert“, sagt Julian Brandt am Fernsehmikrofon – Recht hat er.
Und wenn die Mannschaft den Ball hatte, und das hatte sie 75 Prozent der Zeit, dann fehlte es an Ideen wie man dem Gegner beikommen könnte. Aus dem Mittelfeld kam eher nichts. Delaney und Weigl sind beide keine Spielgestalter, als Dahoud kam, wirkte er wie ein Fremdkörper. Weiter vorn bekleckerten sich die Schwarzgelben allerdings auch nicht mit Ruhm. Brand ist auf den Außenbahnen verschenkt, er sollte hinter oder neben Reus agieren. Reus lief viel – aber auch viel vergebens. Alcacer ist da, wenn mal eine Flanke kommt wie beim 1:1-Ausgleich. Aber ins Spiel einbinden konnte man ihn in Berlin nicht so richtig. Ganze zwei Torschüsse sind nicht gerade viel für einen Mittelstürmer. Auch der junge Engländer Sancho konnte kaum Akzente setzen, hatte Mühe sich einmal durchzusetzen.
Nun fehlte es sicher den Offensiven an Unterstützung von hinten. Hummels versuchte viele Pässe, lange Bälle, die aber häufig nicht ankamen. Hakimi und Piszczek hatten ihre Möglichkeiten, brachten aber kaum eine gescheite Flanke nach innen. Berlins Torhüter Gikiewicz hatte in der zweiten Halbzeit nicht viel zu tun.
Julian Brand hat festgestellt: „Die Berliner hatten einen stärkeren Willen als wir“. Das ist so wahr wir traurig. Kapitän Reus schlägt in die gleiche Kerbe: „Ich glaube, dass wir manchmal daran denken, einfach mit unserer Qualität die Spiele gewinnen zu können.“ Jeder müsse eine Schüppe drauflegen bei Willen und Leidenschaft. „Das war insgesamt zu wenig“, zieht Reus ein unschönes Fazit, dem man sich nur anschließen kann.
Einzig die Stimmung im Stadion war tatsächlich eine Reise wert. Die Eisernen waren nahe dran das von ihnen selbst mitgebaute Stadion einzureißen – die Stimmung war völlig aus dem Häuschen. Und sogar die BVB-Fans zeigten trotz der durchwachsenen Leistung des eigenen Teams eine Spitzenleistung auf den Rängen.
Eine solche wird Borussia nach der Länderspielpause ebenfalls brauchen, um gegen Leverkusen wieder mehr rauszuholen. Denn auf dem Papier sind die Werkselfs und die dann folgende Frankfurter Eintracht schon ein anderes Kaliber als die bisherigen drei Gegner. Also kann es doch nur heißen: Da muss mehr her.
Andreas Römer