Der Ballspielverein zeigt vor dem Clásico viel, wie nötig war: Die Borussia scheint bereit zu sein für mehr.
Von der 2. Runde im DFB-Pokal berichten Stephan Münnich (Bild) und Ingo Berchter (Wort) aus dem Westfalenstadion
Nach allerspätestens drei Minuten wussten die Dortmund-Fans: Auch heute sehen wir den BVB, den wir (so) kennen, und (so) nicht immer lieben. Süle reklamierte fruchtlos einen Einwurf für sich, warf dann den Ball den Ball dem Gegner zu und orientierte sich nicht schnell nach hinten. Hoffenheim machte es, wie man es machen musste, beschleunigte das Spiel mit einem scharfen Einwurf, und nahm ruckzuck die noch nicht sortierte Abwehr des BVB auseinander. Beier flankt auf Bebou, gegen den Kobel herausragend pariert. Den Abpraller nimmt Berisha, und Schlotti wehrt den Ball überwiegend mit der Brust ab, die Arme halbwegs parallel wie ein Matrose beim Fahnenappell. Von dieser Sorte Chancen hätten Lewandowski, Kane oder Haaland mindestens eine von zweien reingetan. Und Moukoko, Haller oder Füllkrug hoffentlich auch.
Schon im Gegenzug läuft ein Konter, bei dem Brandt leider Fahrt verliert. Trotzdem kommt der BVB zumindest zu einer Ecke, und Reus zeigt seine herausragende Schusstechnik, aber seine Direktabnahme landet knapp neben dem Tor.
In der Folge das, was BVB-Fans allerbestens kennen: Angriff auf Angriff. Oft rennt sich Bynoe-Gittens auf links fest, ein- zweimal, in Doppelpasssituationen wird es gar gefährlich. Effektiv ist die rechte Seite mit Brandt-Reus gefährlicher, aber seltener dran. Und Gefahr vom Gegner: In der 27. Lässt sich Öczan übertölpeln, aber die Hoffenheimer finden ihren Mann am Elfmeterpunkt nicht. Und in der 40. Überrennen die Sinsheimer die BVB-Abwehr, aber Beier rauscht an der Flanke vorbei.
Dann, in der 42. Minute, so ein typischer BVB-Moment. Wieder über die Rechte, die Bynoe-Gittens-Seite. Mit einem Unterschied (und darum funktioniert es): Reyna (Gruß an seinen Friseur: Der Blondie sieht jetzt aus wie ein geschrumpfter Reus, er soll sich mal eine andere Farbe einfallen lassen) geht nach ganz linksaußen, holt den Pass artistisch etwa auf Kopfhöhe aus dem Dortmunder Nachthimmel herunter auf den grünen Rasen der schwarzgelben Arena, und schiebt ihn (etwas schnörkelloser als dieser Satz) zu Bynoe-Gittens, der direkt auf Reus weiterleitet. Generationen von BVB-Fans werden sich bei diversen Fan-Quiz-Veranstaltungen noch darüber streiten, ob sich Reus selbst angeschossen hat, oder ob er gezielt so geschossen hat, oder ob etwas ganz Anderes passiert ist: Jedenfalls kurvte Reus die Pocke in das Hoffenheimer Tor, am chancenlosen und ansonsten hervorragenden Baumann vorbei. Uff, Halbzeit.
Die zweite Halbzeit lief im Prinzip wie die erste. Klare Dortmunder Feldüberlegenheit. Und zwei, drei gefährliche Hoffenheimer Chancen. Wobei gefährlich heißt: Andere hätten den reingemacht! Und natürlich hätte Malen Brandt in der 75. früher sehen und bedienen müssen – das wäre das sichere 2:0 gewesen. Die Wechsel sind vermutlich eher der Belastungssteuerung im Blick auf das Spiel gegen den FCB geschuldet, als etwaiger Müdigkeit oder spieltaktischen Erwägungen. Und sowohl die gelbe gegen Schlotterbeck wie die gelbrote Karte gegen Kabak von Hoppenheim waren zumindest zweifelhaft.
Der BVB blickt also klar weiter Richtung Berlin in sein Auswärts-Wohnzimmer Olympiastadion, um mit Werder gleichzuziehen als Zweiter in der Liste der Rekordpokalsieger.
Dortmund schaut aber auch voraus auf El Clásico am nächsten Samstag. Dort wird man vermutlich auf einen überaus motivierten Gegner treffen, den wir ansonsten in dieser Pokalsaison nicht wiedersehen werden. Könnte man sich die besten Dortmunder Minuten von heute herausziehen und duplizieren, dann wäre man gut gerüstet gegen die Bauern. Aber wenn man sich die neue Dortmunder Arithmetik nach Terzic zu eigen macht, dann spielt Dortmund derzeit die Berliner Antithese: Also statt ‚arm, aber sexy‘ (und nicht erfolgreich) spielt der BVB optisch arm, statt sexy (aber sehr erfolgreich).
Wenn das darin mündet am Ende auch nächsten Samstag einfach nur einen Treffer mehr auf dem Score-Board zu haben als der Gegner, dann werden auch wir total vernarrt sei in diese unsexy Borussia.
Oder, wie ein Kirsche-Kollege das beschrieben hat: Sie führt. Und das zählt!
Ingo Berchter