Borussia kassiert in Leverkusen vier Gegentore und schafft selbst nur drei. Damit verliert der BVB nicht nur drei Punkte, sondern auch den Anschluss an die Spitze.
Drei Gegentore in Augsburg, zwei in Bremen und jetzt vier in Leverkusen. Mit so einer Abwehr kann man nicht oben mitspielen, kann man sicher nicht Meister werden. Das ist umso ärgerlicher wenn man sich ansieht, wie überlegen Borussia Dortmund das Spiel gestaltet hat. Doch wie schon in Hoffenheim, reicht es nicht, die Führung über die Zeit zu bringen. Da nutzt es nichts, wenn du dir Wunderstürmer holst, solange du hinten die Sache nicht in den Griff bekommst. Zu leicht fallen die Gegentore. Da mag man sich einfach die Videos aus Hoffenheim, Augsburg, Bremen oder eben jetzt Leverkusen noch einmal ansehen. Und mal ehrlich: Nur weil Köln und auch Berlin nach vorn total harmlos waren, hat es da nur einmal hinten geklingelt.
32 Gegentore hat Borussia jetzt schon kassiert – genauso viele wie Union Berlin. Da muss etwas passieren. Die Lösung Emre Can war jedenfalls keine. Der Neuzugang durfte von Beginn an ran. Er startete auf der Brandt-Position, während Brandt die Reus-Position weiter vorn übernehmen sollte. Doch das passte irgendwie nicht. Can war weit davon entfernt, die Bälle hinten zu holen und vorn zu verteilen, wie es Brandt zuletzt vorzüglich gemacht hatte.
Vor dem Spiel gab es zunächst von den Heimfans ein schicke Choreo und vom BVB-Anhang ordentlich Bengalos – stimmungsvoll nennt das der Fan wohl.
Das Spiel hatte der BVB zunächst mal im Griff. Die Chancen waren auf der Seite der Schwarzgelben. Haaland, der ebenfalls in der Startelf stand, hatte schon zwei. Bei der zweiten war er eigensinnig und schoss aufs kurze Eck statt den heranstürmenden Hakimi rechts zu bedienen. Direkt im Gegenzug dann schon die überraschende Führung für Bayer. Amiri spielte exakt zwischen Akanji und Hummels in den Lauf von Volland. Beide BVB-Abwehrrecken sahen ziemlich dämlich aus und Volland ließ sich nicht zweimal bitten und versenkte das Ding humorlos links untern – keine Chance für Bürki. (20. Minute)
Wieder nur zwei Minuten später schon der Ausgleich. Ecke von Sancho direkt auf den Kopf von Hummels der aus 10 Metern wuchtig den Ball in die Maschen köpfte. Na bitte – geht doch!
Hinten stimmt es nicht
Bayer hatte enorme Mühe mit dem Spielaufbau. Zumeist musste Torhüter Hradecky den Ball lang nach vorn schlagen. Trotzdem wäre die Werkself fast erneut in Führung gegangen Zagadou rutschte aus und nur eine Abseitsstellung verhinderte das 2:1 für Bayer.
Die BVB-Angriffe zeigten sich dann auch nicht durchschlagskräftig genug. Klare Chancen kam kaum heraus, aus wenn der BVB eine deutliche optische Überlegenheit auf den Rasen brachte. Die Führung fiel dann ein bisschen aus heiterem Himmel. Guerreiro versuchte einen Fernschuss, der abprallte und Can vor die Füße fiel. Der Nationalspieler legt sich den Ball zurecht und schlenzte ihn sehendwert aus 27 Metern rechts oben in den Kasten. Schon wieder ein BVB-Tor für die Auswahl zum Tor des Monats. (33. Minute)
Einfach mal den Sack zumachen – warum klappt das nicht?
Doch dann war es wieder da – das BVB-Manko: Den Sack zumachen ist nicht! Bayer war weitgehend ohne Chance. Witsel versagte aber als er aus acht Metern eine Sancho-Flanke im Sprung deutlich über den Kasten haute. Was für eine Möglichkeit. Drei Minuten vor der Pause wäre das eine gute Beruhigung gewesen. Doch nur eine Minute später war die komplette Mannschaft offentlich gedanklich schon in der Pause. Tiefschlaf war angesagt. Bayer fackelte bei einer Ecke nicht lange, spielt den Ball kurz und als die BVB-Spieler das erfassten – sie waren noch mit der Aufstellung für eine Lange Ecke beschäftigt – da segelte der Ball schon an den zweiten Pfosten. Tah brachte ihn rückwärts wieder ins Spiel und Volland stand völlig allein und schoss unbedrängt aus elf Metern zum 2:2 ein. Das ging zu einfach.
Dann hatte der Videokeller seinen Auftritt. Er pfiff das 3:2 für den BVB zurück. Das war mal wieder schön herausgespielt und Sancho hatte vollendet. Er stand nicht im Abseits, Hakimi war nicht im Abseits. Lars Bender rangelte mit Reyna und weil der Amerikaner sich gut zehn Meter vom Geschehen entfernt nichts gefallen ließ, wertete der VAR das als Foul und gab das Tor nicht. Keine Wunder, dass die Fans sangen „Ihr macht unseren Sport kaputt“. Apropos Lars Bender. Der langte von der erste Minute so richtig hin, kassierte viel zu spät die Gelbe und unverständlicherweise gar nicht die Rote Karte. Sein Foul an Reyna am Mittelkreis war sicher gelbwürdig, doch Schiri Schmidt ließ ihn davonkommen.
Es hat nicht sollen sein
In der 58. Minute mischte dann auch noch der Fußballgott mit und rettete wieder Bayer 04. Reynas Schuss prallte an den Pfosten, dann an Hradeckys Rücken und kullerte dann knapp neben das Tor. Danach verlor das Spiel insgesamt seine Linie. Im Mittelfeld ging es zu wie in der Kreisliga. Der Ball ging halbhoch hin und her und her und hin. Keiner vermochte einen sauberen Pass zu spielen – fast keiner. Aus dem Gewühl legte Volland in den Lauf von Havertz, der allein vor Bürki zu genau zielte und ebenfalls den Pfosten traf. (64.) Im Gegenzug dann doch die BVB-Führung. Endlich einmal schnell über die rechte Seite mit den Stationen Hakimi, Haaland, Hakimi, Sancho, Hakimi und Guerreiro, der schließlich zum verdienten 3:2 einschoss.
Freundliche Einladung zum Toreschießen
Und dann zog sich der BVB unverständlicherweise zurück, sicher auch ein bisschen, weil Leverkusen den Druck erhöhte. Erinnerungen an Hoffenheim wurden wach. Der BVB stellte fast das Fußballspielen ein. Die wenigen Entlastungsangriffe verpufften allesamt. Dann wieder diese Fehler in der Abwehr. Zunächst war wieder Volland völlig frei am Elfmeterpunkt, Can gräschte den Ball so eben noch weg – doch auch der eingewechselte Baily stand völlig blank und hatte wenig Mühe an Bürki vorbei zum 3:3 einzuschieben. Damit nicht genug. Nur eine Minute später schien der Ball zunächst geklärt doch dann segelte doch noch eine Flanke von links in den Strafraum. Lars Bender (der eigentlich vom Platz gestellt gehörte) sprang höher als Hummels und köpfte zum 4:3-Siegtreffer ein. In nur zwei Minuten verspielte die BVB-Abwehr wieder mal drei Punkte. Nach 87 Minuten war keine Gelegenheit mehr das Spiel zu drehen. Da halfen auch fünf Minuten Nachspielzeit nicht mehr.
Damit verliert Borussia Dortmund den Anschluss an die Spitze und hat auch Leverkusen mit nur zwei Punkten Rückstand wieder auf den Fersen. Das Can-Debüt war durchwachsen. Ein wunderbares Tor aber sonst fehlte verständlicherweise ein bisschen die Bindung zum Spiel. Haaland spielte durch und traf nicht, das macht nicht nur seinen tollen Schnitt kaputt, es zeigt auch, dass er kein Außerirdischer ist. Das Defensivverhalten gib Anlass zu Sorge. Schießt die Mannschaft keine fünf Tore wird es eng. Da hat Favre längst erkannt, dass das er es nicht auf seine Dreierkette allein schieben möchte. Doch auch in Leverkusen fielen die Tore viel zu einfach. Volland wurde zum Toreschießen quasi freundlich eingeladen. Da wird es auch gegen die Frankfurter am nächsten Samstag und dann gegen Paris schwierig. Da ist eine echte Baustelle.
Andreas Römer (Text) David Inderlied (Fotos)