Gerade noch mal gut gegangen? Wir wollen mal aus Fan-Sicht draufschauen auf die Saison 24/25. Was war gut? Was war eher schlecht? Was war wirklich schlecht? Wie geht es weiter?
Der BVB hat auf den letzten Drücker doch noch die Champions League erreicht und die Liga auf Rang vier abgeschlossen. 25 Punkte hinter dem Meister Bayern (gääähn), aber auch 12 Punkte hinter Vizekusen. Im Pokal war schon in der zweiten Runde in Wolfsburg Schluss. Immerhin schaffte man es auch im neuen Format der Champions League bis ins Viertelfinale. Das sind die Fakten. Und sonst so? Im ersten Teil unseren Redaktionsgesprächs schauen wir vor allem auf den Trainerwechsel.
Wie fällt euer Saisonfazit aus? Eher sauer auf die lange Phase mieser Spiele oder überwiegt die Freude, es am Ende doch noch geschafft zu haben mit dem internationalen Geschäft?
Falk-Stéphane Dezort: Eigentlich war es wieder die klassische BVB-Saison. Vieles wurde bereits in der Hinrunde verspielt. Das Pokal-Aus war bitter, aber auch unnötig. Es hat wieder einmal lange gedauert, bis der BVB so etwas wie Rhythmus reinbekommen hat. In der CL wusste die Mannschaft oft zu gefallen, der lästige Alltag Bundesliga hingegen war erneut oft nur Stückwerk.
Nach dem Trainerwechsel hin zu Kovac hätte ich im Leben diese Aufholjagd nicht erwartet. Aber, und das gehört auch zur Wahrheit, die Konkurrenz hat mit ihrer Unkonstanz im letzten Saisondrittel auch viel dazu beigetragen, dass man die Champions League noch erreicht hat.

Andreas Römer: Das Schwächeln der anderen hat sicher geholfen, da hast du Recht. Die Schlussphase der Saison und auch einige Spiele der Champions League haben aber gezeigt, was mit diesem Kader möglich sein kann. Die miese Auswärtsbilanz in der Hinrunde war dennoch unerklärlich und hat einen schon zweifeln lassen. Nach dem 1:5 in Stuttgart folgten Niederlagen in Berlin, Augsburg, Mainz und dann auch noch das Pokal-Aus in Wolfsburg. Der Auftakt ins neue Jahr mit der Heimniederlage gegen Leverkusen und der peinlichen Niederlage in Kiel war tatsächlich ein Fehlstart. Es kommen furchtbare Erinnerungen hoch, wenn ich an das gruselige 1:2 in Bologna denke, wo die Mannschaft innerhalb von einer guten Minute einen Platz unter den besten acht verspielte.
Unter dem Strich kann man eigentlich nicht zufrieden sein. Wie kann man zweimal gegen Augsburg verlieren? Reicht es, zweimal gegen die Bayern nicht zu verlieren? Eher nicht. Das Potenzial der Mannschaft hat sich nach der Niederlage in Leipzig gezeigt: Von den nächsten acht Spielen wurden sieben gewonnen und in München ein Unentschieden geholt. Warum das vorher nicht geklappt hat, dürfte die wichtigste Frage sein, die die BVB-Verantwortlichen bis zur neuen Saison beantworten müssen.
Vollkatastrophe Hinrunde
Oliver Römer: Durchatmen war erst einmal angesagt. Gefreut habe ich mich dann schon, als der vierte Platz klar war. Der Anspruch ist ja aber schon länger ein anderer. Die Hinrunde war allein auf die Bundesliga bezogen, eine Vollkatastrophe. Ich bin schon mit gemischten Gefühlen nach dem Trainingslager in der Schweiz in die Saison gegangen. Dachte aber, lass sie mal machen. Immer mit den Gedanken im Hinterkopf, ob da jetzt endlich Stabilität ins Spiel kommt. Aber das hatte sich ja dann schnell erledigt und der Weg war schnell klar.
Nur so schlimm hatte ich es nicht erwartet. Nach Platz elf quasi zum Ende der Hinserie hatte ich eigentlich schon abgeschenkt und träumte wenigstens eventuell irgendwie die Conference League zu schaffen. Aber mit dem Wechsel auf Kovac an der Seitenlinie nach Tullberg-Intermezzo kam tatsächlich nach Anfangsschwierigkeiten immer mehr Leben, Willen und Leistungskonstanz.
Insbesondere zu erkennen, an der Laufbereitschaft und den nackten, abgespulten Kilometern. Sauer bin ich am Ende auch auf die immer schlimmer werdende Berichterstattung, die sich jetzt über Jahre so eingefahren hat und nur noch null und eins kennt. Euphorie oder heftigste, auch teilweise niederschmetternde Kritik auch gerade an Personen. Überschriften in den Sozialen Medien, aber auch alt eingesessenen Zeitungen, wo es fast nur noch um Klicks geht und man ganz anderen Inhalt hinter den Teasern erwartet. Bei den Printmedien merkt man die fehlende Konkurrenz in Dortmund, die es seit Jahren nicht mehr gibt.

War es ein zu großes Risiko mit Nuri Sahin in die Saison zu gehen? Ist es richtig, ihm alle Schuld in die Schuhe zu schieben?
Andreas: Der BVB ist ins Risiko gegangen und hat einen jungen und tatsächlich mit wenig Erfahrung ausgestatteten Trainer gewählt. Sahin hatte zwei Vorteile: Er kannte die Mannschaft bereits, weil er als Co-Trainer schon dabei war und er hatte “Stallgeruch”, eine Eigenschaft, die bei Schwarzgelb immer wichtig ist.
Von draußen betrachtet bleibt es trotzdem ein Rätsel, was da nicht passte. Wie kann man in der Champions League überzeugend spielen und vor allem in den Auswärtspartien so schlecht aussehen. Dass der Verein nach dem gruseligen Jahresauftakt handeln musste, kann man nachvollziehen. Wie da vorher die Rückendeckung war, was das Gezänke (mit Ansage) zwischen Mislitat, Sammer, Kehl, Ricken und immer wieder Watzke dazu beigetragen hat, lässt sich nur spekulieren. Das Gesamtbild des Vereins war zum Jahresstart in jedem Fall kein gutes. Insofern war Sahin sicher auch ein Opfer der Strukturen.
Eine Nummer zu groß für Sahin
Falk-Stéphane: Ich kann den Ansatz, einen Trainer aus der eigenen Reihe zu installieren, schon verstehen. Doch man hat gemerkt, dass der BVB für Sahin eine Nummer zu groß war. Man bekommt in Dortmund nicht die Zeit, um eine Mannschaft zu formen. Es muss schnell funktionieren. Da bringt es auch nichts, zu Beginn „trust the process“ zu fordern. Geliefert hat das Team nur selten, zu selten war etwas wie ein Spielplan zu erkennen. Wenn man sieht, was unter Kovac dann möglich war, kam der Trainerwechsel nach dem peinlichen Auftritt in Bologna spät – aber nicht zu spät. Das Ziel CL wurde ja auf den letzten Drücker erreicht.

Oliver: Nachdem ich Nuri auf dem Trainingsplatz im Trainingslager in der Schweiz erlebt hatte, war der Eindruck: Er strahlte eine gewisse Autorität aus, aber vom Bauchgefühl war da auch etwas Gezwungenes, Gespieltes und Unsicheres bei. Im Grunde war ich immer noch enttäuscht, dass Edin nicht weitergemacht hat.
Die Last, die dann mehr und mehr auf Nuri drückte, war immer öfter zu erkennen und ich denke, es war einfach zu früh für ihn, einen so großen Verein als Trainer zu führen. Da muss man ganz klar dem Management auch eine gewisse Stallgeruchsblindheit anlasten.
Erschrocken war ich, als Sahin sich feierte, dass er, glaube ich, im Spiel gegen Barcelona mit Stolz berichtete, dass er eine Tuchel-Taktik aus seiner Zeit als Spieler kopiert hatte. Die Spieler haben unter Nuri natürlich ihr Übriges getan und haben einen gewissen Laissez-faire-Stil, eiskalt ausgenutzt und nur in einigen Spielen ihr volles Potential abgerufen.
Was hat Kovac anders gemacht oder warum hat es so lange gedauert, bis er die Mannschaft in die Spur gebracht hat?
Oliver: Die Aufgabe von Kovac war ganz klar umrissen und musste in einem sehr kurzen Zeitraum zum Erfolg (in die Champions League) führen. Er hat, nachdem Tullberg diesen Weg schon eingeschlagen hatte, den Jungs wieder Feuer unter dem Hintern gemacht. Wie Adeyemi so schön gesagt hat: “er hat uns in den Hintern getreten”. Die Laufleistung musste immens gesteigert werden und damit einhergehend auch der Wille und Standhaftigkeit auf dem Platz. Dies brauchte natürlich eine gewisse Anpassung der Spieler, die dann nicht sofort, aber am Ende doch zum Ziel geführt hat. Durch seine ruhige, aber doch bestimmte Art, eine Mannschaft zu führen und auch dem ein oder anderen Spieler wieder Selbstbewusstsein zu vermitteln, vielleicht auch mit kleinen Positionskorrekturen, die ein erfahrener Trainer halt erkennt. Damit hat er es geschafft, jeden Spieler ein bisschen besser zu machen. Er hat es in der kurzen Zeit geschafft, eine Perspektive aufzuzeigen und eine Dynamik in die Mannschaft zu bringen. Am Ende wieder einen Siegeswillen der nötigenfalls bis zur 98zigsten Minute anhält. Dauerhaft und auch gegen vermeintlich kleine Gegner.

Falk-Stéphane: Ich glaube Kovac‘ großes Plus ist, dass er komplett von außen kommt und die Sicht auf den Verein objektiver ist. Er betrachtet vieles nüchterner als seine Vorgänger. Das könnte mit ausschlaggebend dafür sein, dass es zuletzt so gut läuft. Dass es anfangs nicht dieser geklappt, fand ich gar nicht so überraschend. Denn Spielstil und Ansprache sind bei Kovac im Vergleich zu Sahin/Tullberg komplett anders. Darauf muss sich auch ein millionenbezahlter Profi erst einmal einstellen. Dann kam der berühmte Flow.
Arbeiten und Kämpfen wiederentdeckt
Andreas: Ich denke auch: Nach dem Tüllberg-Intermezzo mussten sich Mannschaft und Trainer erst einmal finden. Sein Auftakt war schon so, dass man dachte, “dafür hätte es keinen Trainerwechsel gebraucht”. Er hat gebraucht, bis er verstanden hat, wie die Mannschaft funktionieren könnte. Dabei gab es durchaus auch Fehler. Er hat sich zum Beispiel im Hinspiel in Barcelona verzockt. Statt an der Dreierkette festzuhalten, wurde mit Viererkette agiert und der BVB ging unter.
Wichtig war vermutlich, dass Kovac den Spieler mal wieder erklärt hat, Arbeiten und Kämpfen gehören zu den Grundtugenden, um ein Fußballspiel zu gewinnen. Mit der Dreierkette dazu hat er schließlich sein System gefunden. Dazu hat er es verstanden, Spieler, die einen Durchhänger hatten, auch mal auf der Bank zu lassen.
Im zweiten Teil kümmern wir uns um die Gewinner und Verlierern im Team und bewerten den Support der Fans.
Text: Redaktion, Bilder: Kirchner-Media