Borussia Dortmund gewinnt in der Champions League mit viel Mühe 1:0 gegen Sturm Graz. Gerade als sich die 81.000 Zuschauer mit einem torloses Unentschieden abzufinden bereit waren, traf Malen kurz vor Schluss.
Aus dem Westfalenstadion
berichtet Andreas Römer
„Schwere Kost“ war das zweite Heimspiel von Borussia Dortmund gegen den vermeintlichen Fußballzwerg aus Österreich, Sturm Graz. Mit dem letzten Aufgebot – die gleiche Startelf wie gegen Leipzig – rumpelte sich der BVB spät zum Sieg. Nee, begeistern konnte die Sahin-Elf die Zuschauer diesmal eher nicht. Mitte der zweiten Halbzeit gab es sogar erste Pfiffe, als es irgendwie so gar nicht ging.
Ja, die Schwarzgelben gehen auf dem Zahnfleisch. Trainer Sahin hatte vor Beginn weiterhin nicht so viel zu überlegen, wie die Startelf aussehen könnte. Wenn die Grazer auf die Liste der BVB-Ersatzspieler guckten, kannten sie vermutlich gerade einmal einen Namen. Bis auf Malen, war wieder alles aus der zweiten Mannschaft vertreten – ohne jede Erfahrung in der Champions League. Die Youngster werden es zumindest schon einmal feiern in Europas Eliteklasse auf der Bank gesessen zu haben.
8:0 Ecken und nichts kommt raus
Zäh – anders lässt sich die erste Halbzeit wohl kaum beschreiben. Der BVB hatte als Heimmannschaft gut 60 Prozent Ballbesitz, erspielte sich 8:0 Ecken und doch war nichts Zählbares dabei rausgekommen. Ja, Borussia bestimmte das Spiel, aber vor dem Tor klappte es nicht. Zu unsauber der letzte Pass, zu ungenau die Kopfbälle und bei den wenigen Schüssen, die tatsächlich das Tor erreichten, hatte Keeper Scherpen keine allzu große Mühe, die Bälle zu halten.
Und dass die Gäste Fußball spielen können, zeigten sie ab der 20 Minute, als sie mutiger wurden, den BVB kaum noch zur Entfaltung kommen ließen. Und sie wurden richtig frech: Kiteishvili prüfte aus 17 Metern BVB-Torhüter Meyer.
Trotzdem hätte es eigentlich mit einer schwarzgelben Führung in die Pause gehen müssen. Nach der siebenten Ecke stand ausgerechnet Beier bei einem Bensebaini-Kopfball im Weg und verhinderte die Führung. Als Beier nur eine Minute später allein aufs Tor zulief, einen letzten Haken machte, rettete noch ein Grazer-Abwehrspieler auf der Linie.
Graz international eine kleine Nummer
Trainer Sahin tobte zeitweilig am Rand. Aber auch in Brügge war es lange zäh, die Tore fielen erst in der Schlussviertelstunde. Trotzdem: 0:0 ist in jedem Fall zu wenig für die eigenen Ansprüche. Schließlich ist es mehr als 20 Jahre her, dass der aktuelle Österreichische Meister in der Champions League spielte. 2001 war Sturm Graz zum letzten Mal dabei. Die internationalen Erfolge seitdem sind eher dürftig. In den vergangenen zwei Jahren scheiterten die Schwarzweißen jeweils in der Qualifikation zur Champions League deutlich mit jeweils zwei Niederlagen gegen Eindhoven (2023) und Kiew (2022).
In der Europa League gab es im Jahr davor zwei Unentschieden und vier Niederlagen – sang- und klanglos ging es in der Vorrunde raus. Den letzten Sieg auf europäischer Ebene feierten die Grazer in der Quali zur Europa League 2019. Das 2:1 gegen die Norweger aus Haugesund reichte aber nicht einmal, da man das Hinspiel mit 0:2 verloren hatte.
Jetzt also die ganz große Bühne für die Mannschaft von Trainer Ilzer. Er hat das Team von Platz 3 über zweimal Vizemeister in diesem Jahr endlich mal wieder zum Meister der Alpenrepublik gemacht und endlich Serienmeister Brause Salzburg abgelöst. Doch ist Graz überhaupt reif für die CL? Die Heimspiele muss man im 140 Kilometer entfernten Klagenfurt austragen. Die ersten drei Spiele in Brest (1:2), gegen Brügge (0:1) sowie gegen Sporting Lissabon (0:2) gingen allesamt verloren.
Dennoch freuten sich Trainer und Mannschaft auf 80.000 Zuschauer in einem der traditionsreichsten Stadien in Europa. Man habe einen „guten Matchplan“ und wollte mutig bleiben. Auch wenn noch keiner der Spieler jemals vor so einer Kulisse gespielt hatte. „Wir sammeln sicher wertvolle Erfahrungen und wissen, da wollen wir hin, das wollen wir erleben“, wie Ilzer vor dem Spiel betonte. Natürlich wollte man auch alles daran setzen, um in Dortmund etwas mitzunehmen. Allerdings sei man sich der Größe der Aufgabe durchaus bewusst.
Zweite Halbzeit auch nicht besser
In erster Linie freute man sich, auf das Spiel im Westfalenstadion, vor der Kulisse, angefeuert von eigens mitgereisten 6.000 Anhängern. Immerhin mehr als die Brausekicker aus Leipzig am Samstag. Die Choreo zu Beginn mit blitzenden Lichtern sowie silbernen und blauen Alufahnen sah es eindrucksvoll aus. Und schließlich wollte der Trainer auch eine positive Entwicklung in den letzten Spielen gesehen haben. Gegen Sporting sei trotz der Niederlage das bislang beste Spiel in der CL gewesen.
Die zweite Hälfte konnte leider nahtlos an die erste anknüpfen. Das Spiel des BVB war gefällig, mit mehr Ballbesitz, aber weiterhin zu wenig zwingend. Torchancen blieben Mangelware. Im Strafraum kam Guirassy nicht in gute Position. Sabitzer, der ebenfalls in vorderster Linie agierte, zeigte genauso wenig Torgefahr. Die Beste Szene vor dem Grazer Tor hatte der beste Mann auf dem Platz: Niko Schlotterbeck. Er hatte schon zahlreiche öffnende Pässe gespielt und fasste sich nach einer knappen Stunde ein Herz und zog kräftig aus der zweiten Reihe ab. Scherpen konnte so gerade noch parieren.
Und auch Graz blieb mutig, merkte gegen diese Borussia könnte etwas gehen. Die größte Chance vergab Biereth, der aus fünf Metern seinen Kopfball am Tor vorbei setzte. Sturm zeigte sich diszipliniert und machte die Räume eng. Dem BVB fehlte die Frische und Explosivität. Optisch überlegen fand man den Weg direkt zum Tor nicht.
Später Jubel
Und gerade als die ersten Zuschauer schon das Stadion verließen, viele bereits auf das 0:0 setzten, traf die Borussia doch noch. Malen erwischte einen schlampigen Grazer-Pass, setzte Guirassy ein, der wieder in den Lauf von Malen spielte. Der Niederländer zog dann halb rechts im Strafraum ab und überwand Scherpen zum umjubelten 1:0. (85. Minute)
Dortmund brachte es über die vierminütige Nachspielzeit nach Hause. Graz bleibt mit Null Punkten im Keller der CL-Tabelle. Der BVB ist nach vier Spieltagen der beste der fünf deutschen Klubs.
Andreas Römer (Text), Fotos: Bahho Kara/Kirchner-Media