In der grauen Suppe an der Kieler Förde geht der BVB gegen den Bundesliga-Aufsteiger Holstein Kiel bitterlich baden. Die KSV zeigte sich im ersten Durchgang vor dem Tor dem Wetter entsprechend eiskalt und nutzte beinahe jeden BVB-Fehler zur 3:0-Pausenführung aus. Der BVB-Doppelschlag von Reyna und Gittens blieb Ergebniskosmetik. Kiel traf mit dem Schluss noch zum 4:2.

Aus dem Holstein-Stadion berichtet Falk-Stéphane Dezort

Die Marschrichtung war klar – in Kiel zählt nur der Sieg, egal wie. Doch selbst von einem Dreier beim Tabellenvorletzten scheint der BVB momentan meilenweit entfernt zu sein. Und das, obwohl sich das krankheitsbedingt große Lazarett zum Gastspiel an der Ostsee kurzfristig lichtete. Namen wie Schlotterbeck und Can rückten zurück in die Startelf. Nicht mehr für den BVB auflaufen wird hingegen Malen – dieser wurde kurz vor dem Anstoß wie erwartet für mindestens 25 Millionen Euro nach Aston Villa transferiert.

Anstatt über Rot zu diskutieren, ließ Petersen das Foul an Gittens sogar weiterlaufen. Foto: Kirchner-Media

Ob er den Borussen in Kiel geholfen hätte? Fraglich. Besser aus der Kabine kamen die Hausherren, die nach fünf Minuten bereits zum ersten Mal gefährlich vor Kobel auftauchten. Für Aufregung sorgte eine Szene kurz zuvor, als Gittens nach einem klaren Foul von Lasse Rosenboom verletzt liegen bleibt. Während manch einer sogar eine rote Karte forderte, ließ Schiedsrichter Petersen sogar weiterlaufen.

Eiskalte Störche

In der Folge übernahm der BVB die Kontrolle im Holstein-Stadion – ohne aber wirklich dabei gefährlich zu werden. Das wurden hingegen die Störche. Shuto Machino bestrafte einen Dortmunder Ballverlust von Brandt nach einem eigenen Einwurf mustergültig zum 1:0 (27.). Die anschließend pyrotechnischen Feierlichkeiten des KSV-Anhangs sorgten für eine Spielunterbrechung. Aber auch diese half den Westfalen nicht, sich den Nackenschlag wegzuschütteln. Im Gegenteil: Nach einem Ballverlust im Zentrum ging es für die Dortmunder erneut zu schnell – am Ende eines perfekten Konters stand Harres nach einer Flanke von recht im Strafraum goldrichtig und nickte zum 2:0 (32.). „Wir wurden hier nicht hergespielt“, sagte Sahin. „Wir haben ihnen Geschenke gemacht. Ich habe heute kaum tiefe Läufe gesehen – man muss die Außenbahn und die Tiefe bespielen gegen solch einen Gegner.“ Wenn man dies nicht mache, sei es ein „gefundenes Fressen für den Gegner.“

Mit Köpfchen: Kiels Phil Harres vollendet zum 2:0. Foto: Kirchner-Media

Wer dachte, dass sich der BVB spätestens jetzt aufbäumt, wurde bitterlich enttäuscht. Die wirklichen Chancen hatten nur die Gastgeber. Dortmund hatte Glück, dass es nach 41 Minuten und einer Kieler Doppelchance nicht zum dritten Mal im Kasten klingelte. Das tat das es aber spät in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit. Quasi mit dem Pausenpfiff lud der BVB die KSV Holstein abermals zu einem Konter ein. Der Aufsteiger ließ sich nicht zwei Mal bitte und stellte in Person von Bernhardsson auf 3:0. Gefallen lassen mussten sich die Dortmunder einmal mehr die lästige Mentalitätsfrage – während beim KSV jeder Einwurf, jedes Tackling wie die Meisterschaft gefeiert wurde, gabs beim BVB nur Meckern, Lamentieren und hängende Köpfe. Allen voran bei Sahin.

„Das war von der ersten bis zur letzten Minute eine Nichtleistung“, sagte der BVB-Trainer nach der Partie auf derr Pressekonferenz. „Wir haben Kiel genauso erwartet. Aber wir haben das nicht angenommen und ihnen Geschenke gemacht. Es ist beschämend, dass ich hier sitze nach so einer Leistung – Nicht-Leistung.“ Die Grippewelle beim BVB wollte Sahin nicht als Ausrede nutzen. „Auch wenn wir elf Kranke auf dem Platz hätten kann man so nicht spielen.“ Gegen einen tief stehenden Gegner habe es nichts mit Krank sein zu tun.

Auch Sahin kann es nicht fassen. Foto: Kirchner-Media

Wie Sie sehen, sahen Sie nichts

Sahin blieb in der Pause nichts anderes übrig, als umzustellen. Für die beiden Außenverteidiger Bensebaini und Ryerson kamen zu Beginn der zweiten Halbzeit Anton und Beier. Gespielt wurde aber erst einmal nur wenige Sekunden. Der Kieler Heimblock präsentierte Silvester-Überrest, und das Stadion versank im Nebel. Petersen bat die Teams zurück in die Kabinen. Zu sehen war ein paar Minuten lang nichts. So mancher Borusse wird das sicher als wohltuend empfunden haben.

Kieler Fans zünden Pyrotechnik. Foto: Kirchner-Media

Aber natürlich wurde noch weitergespielt. Im Eisschrank Holstein-Stadion zeigte sich das aus dem ersten Durchgang gewohnte Bild. BVB versuchte, kam aber nicht zu guten Szenen. Den folgenden Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die Sahin-Elf fand gegen die schlechteste Defensive der Liga (41. Gegentore nach 16 Spielen) kein Mittel. Den ersten Abschluss im zweiten Durchgang verbuchte der völlig blass gebliebene Guirassy nach einer Ecke vom eingewechselten Couto (70.).

Plötzlich 2:3

Besser lief es hingegen eine Minute später. Der ebenfalls eingewechselte Reyna zog aus 18 Metern einfach mal ab und stellte auf 3:1 (71.). Und auch Gittens war nach gefühlt 30 Dribblings, die in den Füßen der Kieler endeten, erfolgreich und brachte den BVB plötzlich in der 78. Minute wieder auf 2:3 heran. Ein Schlenzer fand den Weg ins lange Eck. Nun wollte der BVB selbstredend mehr – aber konnten sie das auch spielerisch zeígen?

Zunächst nicht – eher wurde es ruppiger. Der eingewechselte Holtby langte am Mittelkreis – ob beabsichtigt oder nicht – von hinten zu: Petersen konnte nur Rot zeigen (86.). Der BVB warf nun alles nach vorne – im gellenden Pfeifkonzert der 15034 Zuschauer im ausverkauften Holstein-Stadion. Plötzlich witterten die Westfalen doch noch den Punktgewinn. Aber es fehlten wie so oft die Ideen. Der Ball wurde in Handball-Manier von rechts nach links und von links nach recht geschoben: Dabei ist die Handball-Arena woanders in der Stadt.

Kieler Festtag: 4:2-Sieg gegen den BVB. Foto: Kirchner-Media

„Bei uns ist alles zusammengelaufen“

Letztlich blieb es bei der unterm Strich verdienten Auswärtspleite an der Ostsee – auch weil der eingewechselte Arp tief in der Nachspielzeit die Kugel aus 30 Metern in das verwaiste BVB-Tor zum 4:2-Endstand einschieben konnte. Kobel war für eine Ecke nach vorne geeilt und nicht mehr rechtzeitig zurückgekommen. Nicht verwunderlich, dass Arp nach der Partie vor Freude strahlte. „In so einer Phase, in der sich eine Top-Mannschaft wie der BVB befindet, ist es auch für sie schwierig hier zu gewinnen.“ Zudem sei bei den Störchen „endlich mal alles zusammengelaufen. Wir sind in Führung gegangen und haben uns Selbstvertrauen geholt.“ Es sei der „Wahnsinn“, dass man gegen den BVB gezeigt habe, dass man in der Liga mithalten kann. „Für uns war es auch gut, dasswir lange das 3:0 gehalten haben und uns kein Gegentor ausgenockt hat. Wir werden den Moment so schnell nicht vergessen.“