Die Serie ist gerissen: Nach 39 Freitagsabend-Heimspielen ohne Niederlage hat es den BVB wieder erwischt. Er verlor gegen Leverkusen mit 2:3 Toren. Damit startet Borussia Dortmund auch zum ersten mal nach 15 Jahren wieder mit einer Niederlage in ein neues Jahr – enttäuschend.

Aus dem Westfalenstadion
berichtet Andreas Römer

Die Partie wurde mit 15 Minuten Verspätung angepfiffen. Dafür gab es eine Reihe schöner Vermutungen und Gerüchte. Einmal vermutete manch einer, um 20:45 Uhr – alte Startzeit in der Champions League – habe der BVB einfach ein besseres Gefühl für starke Gegner. Genauso war es nur ein Gerücht, dass das Spiel gegen Leverkusen eine Viertelstunde später anfing, weil BVB-Trainer-Sahin noch Spieler für seine erste Elf gesucht hat. Die „Seuche“ hatte Borussia diesmal nämlich übel erwischt. Süle, Schlotterbeck, Anton, Bensebaini krank, Can und Groß gesperrt. Da war die Aufstellung für die Abwehr tatsächlich ein große Aufgabe. 

Andere Gerüchte besagten, dass man unbedingt auf Laura Wontorra warten wollte, da man sich im TV kein Fußballspiel mehr ohne ihr Gequatsche vorstellen könne. Offiziell hieß es: Das Verkehrschaos. Der Schnee! Doch das ist genauso ein Gerücht wie Laura Wontorra. Die Straßen waren frei und befahrbar. Es ist aber in den letzten Monaten bereits immer wieder so, dass zentrale Zufahrtsstraßen zu den Parkplätzen abgesperrt werden und die armen Streckenposten mit jedem Autofahrer diskutieren müssen, warum er nach vielen Jahren, in denen er diesen Weg genutzt hat, heute eben nicht mehr durch darf. Die eigentliche Überraschung ist also eher, dass es das erste Mal passierte, dass der Anstoß verschoben wurde.  

Ebenfalls verschoben – direkt vor den Anpfiff – die Ehrung für Teddy de Beer, der überraschend, kurz vor dem Jahreswechsel mit nur 60 Jahren gestorben ist. Alle im Stadion gedachten Teddy und „You never walk alone“ war diesmal nur für ihn.

Es kracht schon nach 25 Sekunden

Hätte man pünktlich angefangen, hätte es um 20:45 Uhr schon 1:2 gestanden. Was für ein enttäuschender Auftakt: Nach nicht einmal 09 Minuten lag der BVB schon 0:2 hinten. Man war offensichtlich auf dem Platz noch so ergriffen vom Gedenken an Teddy de Beer, dass man das Fußballspielen komplett vergaß. Nur 25 Sekunden brauchte der Meister aus Leverkusen um den ersten Fehler in der neu formierten BVB-Abwehr auszunutzen. Tella völlig unbedrängt haute das Ding unhaltbar für Kobel ins Netz.

Das half nicht gerade, die BVB-Novizen zu beruhigen. Ryerson und Lührs als Innenverteidiger sahen genau so aus, wie man es sich vielleicht denkt, wenn man das zu ersten Mal hört – eher unvorstellbar. Dazu Kabar auf links und Couto auf rechts in der Viererkette. Mal ehrlich, auf diesen Positionen hatte bislang noch keiner der vier überzeugend gespielt. Und so rummste es nach 7:30 Minuten schon wieder. Hincapie kam über links – von Couto nichts zu sehen. Alle im Stadion haben Schick in der Mitte gesehen, nur die BVB-Innenverteidiger nicht. Aus wenigen Metern rutschte er das Ding über die Linie. 0:2 und der BVB ist immer noch nicht wach.

Kabar mal wieder zu weit weg von Frimpong

Der Anschlusstreffen von Gittens entstand nach dem ersten ernsthaften Angriff über die rechte Seite, Coutos Pass wurde allerdings wunderbar abgefälscht so dass Gittens mit einem schönen Lupfer Hradecky überwinden konnte. (12. Minute) Das machte plötzlich Hoffnung. Der BVB begann das Spiel gut 20 Meter weiter nach vorn zu schieben – tatsächlich mal in die gegnerische Hälfte zu verlagern. Brandt machte Dampf und es sah ganz nach ein bisschen Druck aus – und dann der K.O.: Konter von Bayer über rechts. Kabar war meilenweit weg von Frimpong und Schick machte seinem Namen alle Ehre und versenkte den Ball schick aus drei Metern. Von Ryerson mal wieder weit und breit nichts zu sehen. Und es waren noch nicht einmal 20 Minuten gespielt.

„Gegentore zu einfach!“

Trainer Sahin fand die Tore später als „viel zu einfach“. So dürfe man auch mit den unerfahrenen Spielern nicht agieren. Auch Julian Brandt fand, man habe bei den Tore „selbst ein Menge Aktien drin gehabt.“ Man habe die Qualität des Meisters gesehen, der insgesamt ja nur vier Chancen bekommen habe, aber eben drei Tore mache, während man selbst vorn zu wenig Durchschlagskraft entwickelt habe.

Borussia hatte allerhöchste Mühe Ordnung ins eigene Spiel zu bekommen. Kobel lief mit Ball immer 20 Meter aus seinem Kasten, traute seinen Vorderleuten offensichtlich nicht so recht und wartete bis Nmecha oder Brandt sich die Bälle abholten. Nein, das sah alles ein bisschen traurig aus.

Noch ein Beispiel? Vorn waren die Jungs nicht viel besser als die völlig verunsicherte Abwehr. Adeyemi bekam eigentlich keinen Stich vorn. Und als er einmal mit vollem Einsatz toll, einen Angriff der Leverkusener unterbunden hatte, guckte Couto nur und schob den Ball wieder in die Füße der Gäste. Diese Aktion hatte etwas von Slapstick. Selbst ein Schiedsrichter Stegemann, der ja wegen Grippe nicht da war, hätte das Spiel des BVB diesmal nicht schlechter machen können. Das haben die Spieler ganz allein hinbekommen.

Leverkusen verwaltet

Wenn der Meister aus Leverkusen nicht mit dem Spielstand zufrieden gewesen wäre, hätte es ein Debakel werden können. So verlegten sich die Pillenkicker aufs Verwalten und sorgten nur dafür, dass der BVB keine echte Chance erspielte. Sie schienen fest überzeugt, dass sich weitere Konterchancen ergeben werden.

Die Stimmung der 8.000 Gästefans war natürlich bestens und auch wenn die Südtribüne kräftig versuchte dagegen zu halten, wollte der Funke auf den Rest der einheimischen BVB-Anhänger nicht so recht überspringen. Apropos Funke – nach der Pause gaben die Leverkusener auf der Tribüne richtig Gas. Waren bis dahin keine Fahnen, wurde jetzt allerhand geschwenkt und jede Menge Pyro abgebrannt. Dagegen wirkte die eine rote Leute im BVB-Blog schon genauso mickrig wie das Spiel der eigenen Mannschaft.

Auch in Halbzeit zwei konnte der BVB die Gäste nicht in den Griff bekommen. Zwar kann man nicht sagen, dass der BVB nicht alles versucht hat. Es waren auch einige gute Ansätze zu sehen. Doch letztlich war man vor dem Tor zu ungefährlich. Zwei Mal musste Hradecky ernsthaft eingreifen, sonst hatten die Meisterkicker alles im Griff. Die BVB-Angreifer wurde zumeist von ihren Gegenspielern abgekocht.

Hoffnung in den letzten 10 Minuten

Erst zehn Minuten vor dem Ende gab es dann noch einmal Hoffnung und das Stadion wachte noch einmal auf. Duranville, nach einer guten Stunde für Adeyemi gekommen, wollte gegen Tabsoba zaubern, legte den Ball über den Verteidiger, wollte vorbei, aber scheiterte am ausgestreckten Arm. Nach langer Diskussion, VAR und Schiri am Monitor gab es Elfmeter, den Guirassy sicher verwandelte. Doch trotz der jetzt vollen Unterstützung der Fans hat es am Ende dann nicht mehr gelangt.

Zu überzeugend war die Leistung der Leverkusener, die gut auf Borussia eingestellt waren und das ziemlich abgebrüht zu Ende gespielt haben. Damit hat die beste Auswärtsmannschaft als erste bei der bisher besten Heimmannschaft gewonnen. Leverkusen hat nun 09 Spiele hintereinander gewonnen, während der BVB schon am Dienstag wieder ein ungeliebte Auswärtsspiel in Kiel bestreiten muss.

Andreas Römer (Text), David Inderlied (Fotos)