Im Sondertrikot zur Erinnerung an die Meisterschaften der 90er Jahre zeigt der BVB eine erschreckende Leistung und verliert gegen Augsburg 0:1. Dieses Trikot haben sich die Spieler nicht verdient.

Aus dem Westfalenstadion berichtet Andreas Römer

Pfiffe, laute Pfiffe, langanhaltende Pfiffe nach Spielschluss im Westfalenstadion trieben die BVB-Spieler deutlich schneller als sonst nach einem Heimspiel in die Kabine. Nicht nur Nico Schlotterbeck am Radiomikrofon auch 80.000 Heimfans machen sich Sorgen um Borussia Dortmund. Das Internationale Geschäft scheint mittlerweile unerreichbar. Und wieder haben die Mannschaften vor dem BVB in der Tabelle Punkte gelassen und das Team von Trainer Kovac versteht es nicht, daraus Kapital zu schlagen.

Es wäre ja nun eine Sache, nicht zu punkten, ja sogar zu verlieren, wieder zuhause. Aber das WIE muss jedem BVB-Anhänger tatsächlich den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Augsburg ist ja wahrlich keine Übermannschaft, hat nicht einmal guten Fußball gezeigt und doch gewonnen.

Augsburg kommt mit Topp-Bilanz

Das letzte Mal, dass der FC Augsburg im Westfalenstadion einen Punkt geholt hat, ist schon ein bisschen her. Vor sieben Jahren an einem Montagabend (26.2. 2018) trennten sich der BVB und der Gast aus bayerisch Schwaben 1:1. Vor nur 54.000 Zuschauern – nein, das Westfaenstadion hatte schon längst viel mehr Platz, doch zahlreiche Fans protestierten gegen Montagsspiele und blieben einfach zuhause. Das war heute natürlich ganz anders! Geiles Wetter und ein paar freie Karten, da die Gäste mit einer überschaubaren Zahl an Fans anreisten. So war diesmal auch die Nordtribüne fest in schwarzgelber Hand.

Augsburgs Wolf und Jamie Gittens kämpfen um den Ball.

Für den BVB war das Spiel gegen Augsburg ein Kampf um den Anschluss an die internationalen Plätze. Der BVB hatte in den letzten zwei Ligaspielen zwar gewonnen, aber die zweite Halbheit gegen Lille war mehr als enttäuschend. Insofern waren die Erwartungen trotz Heimspiel gegen Augsburg nicht allzu groß. Die Fuggerstädter kamen mit einer Serien von acht ungeschlagenen Spielen. Dabei immerhin auch Unentschieden gegen Mainz, Leipzig und Freiburg (alle 0:0) sowie Siegen in Bremen, Mönchengladbach und Union alle zu Null. Nur die Abstiegskandidaten Heidenheim und St.Pauli schafften einen Treffer gegen die stabile Abwehr des FC Augsburg. Der BVB wusste also was auf ihn zukam.

Zum Start gab es mal wieder Wechsel. Couto durfte einmal von Beginn ran, Ryerson musste draußen bleiben. Auch Sabitzer bekam eine Pause, Özcan startete für ihn.

Frühlingskick oder Kampf um Europa?

Frühlingskick! Freundschaftsspiel? Was für eine schlechte erste Halbzeit. Der BVB knüpfte nahtlos an die gruselige zweite Halbzeit gegen Lille an. Im Ernst: Von denn 11 Spielern auf dem Rasen hatte es keiner verdient, das Trikot von 1996 zu tragen.

Julian Brandt gegen Augsburgs Jeffrey Gouweleeuw

Uninspiriert, ideenlos und langsam – so muss man den Borussia-Kick beschreiben. Ja, man hatte deutlich mehr den Ball, wusste aber damit nichts anzufangen. Augsburg igelte sich ein, gewann die wichtigen Zweikämpfe und verzögerte das Spiel ab der ersten Minute. Schiri Aytekin deutete bereits nach 18 Minuten auf die Uhr, als ein Abstoß vom Augsburger Tor mal wieder ewig dauerte.

Auch 09 Eckbälle für die Gastgeber in der ersten Halbzeit brachten keine Gefahr. Ein einziges Mal kam der Ball zu einem Dortmunder, doch Bensebaini köpfte meilenweit am Tor vorbei. Alles andere verpuffte.

Ein Torschuss reicht

Augsburg machte nach vorn ebenfalls nichts Produktives, führte aber doch. Ein Freistoß aus fast 40 Metern segelte ewig über alle Dortmunder hinweg und ganz hinten hatte sich Innenverteidiger Gouweleeuw davon geschlichen und überwand mit einer Bogenlampe Kobel. 0:1 nach 22 Minuten. Die BVB-Abwehr mal wieder im kollektiven Tiefschlaf.

Wer nun ein Aufbäumen, Kampf, Torchancen und irgendwie sich wehren gegen die Niederlage erwartet hatte, wurde enttäuscht. Borussia fand oder hatte einfach nicht die Mittel auch nur einmal aufs Tor zu schießen. Völlig zurecht setzte es in der Pause ein Pfeifkonzert, dass allen Spielern und dem Trainer in der Kabine noch in den Ohren geklungen haben muss.

Auf den Tribünen schüttelten die Fans die Köpfe ob so einer schwachen Leistung der eigenen Mannschaft. Nur so wenig Mittel reichten den Gästen, um hier zu führen, es reichte ein einziger Torschuss.

Es wird nicht besser

Es hätte viele Gründe zum Wechseln gegeben. Brandt verlor fast jeden Zweikampf, hatte überhaupt kein Timing beim Kopfball. Gittens schaffte zwar hin und wieder an einem Spieler vorbeizukommen, aber die Kugel brachte er dann nicht zum Mitspieler. Adeyemi, Guirassy Özcan – alle mit überschaubarem Einfluss auf das Spiel. Doch Kovac änderte nichts an der Aufstellung und es änderte sich auch nichts am Spiel.

Hauptdarsteller wurde allerdings der Videoschiedsrichter in Köln. Die elfte Ecke des BVB wurde diesmal kurz gespielt und die folgende Flanke erwischte Schlotterbeck am zweiten Pfosten, legte noch einmal quer und Brandt drückte das Ding über die Linie. Nach ewig langer Warterei wurde der Treffer wegen Abseits zurückgenommen (51.).

Auch das konnte aber die schwarzgelbe Mannschaft nicht anstacheln. Das Spiel war weiter zu statisch und ideenlos. Augsburg hatte bei Kopfbällen im eigenen Strafraum klar die Lufthoheit und auch sonst alles im Griff. Und nach 10 Minuten ist der Videoassistent wieder dran. Die Lernfähigkeit der Dortmunder war zuvor aufs Beste entlarvt worden. Wieder ein Freistoß für Augsburg vom Ex-Dortmunder Wolf und wieder steht hinten völlig frei Gouweleeuw. Diesmal gibt er den Ball aber nur in die Mitte wo Özcan verzweifelt versucht, zu klären und das Ding ins eigene Netzt haut. Es dauerte dann noch länger als beim ersten Mal, Schiri Ayketin musste sogar an den Bildschirm gehen – dann wurde auch dieser Treffer wieder annulliert.

Ratlose Dortmunder halten Abstand vor der Südtribüne

Über die folgenden gut 30 Minuten und 8 Minuten Nachspielzeit deckt man am besten den Mantel des Schweigens. Sonst müsste man zugeben, dass es zwei Halbchancen für Guirassy gab, dass der eingewechselte Beier einen Meter vor dem Tor an einem runtertropfenden Ball vorbeisprang und ansonsten es häufig einfach Fußball zum Abgewöhnen war.

Was nun Herr Kovac?

„Wir haben nicht unsere Leistung gebracht“. (Kovac) „Das war eine Nicht-Leistung“ (Schlotterbeck) – Was soll man da noch ergänzen. Europa bleibt zwar ein Traum, aber wir das gehen soll, kann sich keiner vorstellen. Für Lille muss sich der Trainer etwas einfallen lassen. Überhaupt sollte sich Kovac bald mal etwas einfallen lassen. Sein Punkteschnitt liegt mit 1,2 noch hinter dem von Sahin (1,38). Bislang hat sich der Trainerwechsel nicht bezahlt gemacht. Spielerisch hat sich die Mannschaft nicht weiterentwickelt, wie man heute gegen Augsburg deutlich sehen konnte.

Text: Andreas Römer; Fotos: Kirchner-Media