Eine kommentierende Analyse von Falk-Stéphane Dezort
Selten war man im Lager der Schwarz-Gelben so froh über eine Länderspielpause, wie dieses Mal.
Köln, Bochum, Heidenheim: Nachdem die DFL im Juli den Bundesliga-Spielplan veröffentlicht hatte,
herrschte bei vielen BVB-Fans nach dem tragischen Ende der 60. Bundesliga-Spielzeit und dem
verpassten Meistertitel aufatmen – gab es doch ein vergleichsweise „entspanntes“
Auftaktprogramm, neun Punkte wurden gebucht. Doch es kam anders: Auf einen mehr als
glücklichen Sieg gegen Köln folgten zwei durchaus schmeichelhafte Remis, gegen Teams, die (mit
Verlaub) zumindest auf dem Papier, nicht bundesligatauglich sind.
Beim BVB passt momentan überhaupt gar nichts zusammen. Der Anspruch entspricht im
Spätsommer nicht der Wirklichkeit. Vor allem im Spiel gegen Heidenheim hat man gemerkt, dass
irgendetwas im argen liegt. Nach 20 Minuten schien alles im Griff, nur um sich alle wieder aus der
Hand nehmen zu lassen. Und das vor mehr als 81000 Zuschauern im heimischen Stadion. Pfiffe wie
am vergangenen Freitag hat man in dieser Vehemenz und Lautstärke schon lange nicht mehr von der
Südtribüne gehört. Es war nicht das erste Mal, dass sich der BVB sicher geglaubte Punkte noch vom
Teller nehmen lässt (Stichworte Stuttgart, Bremen).
Geschlossenheit haben Verantwortliche und Team nach dem verkorksten Heimspiel am 34. Spieltag
gegen Mainz beschworen, doch vielmehr scheinen aktuell Geister vergangener Tag über das
Trainingsgelände und durch das Westfalenstadion zu spuken. Wenig ist von der Spielfreude, die das
Team über weite Teil der Rückrunde gezeigt hat, übrig geblieben. Auch Leistungsträger wie Sebastien
Haller, Donyell Malen oder Karim Adeyemi wirken aktuell wie ausgewechselt. Trainer Edin Terzic
kritisiert die Spielweise öffentlich, sein Handeln sorgt bei manchen aber auch für Fragezeichen. Wäre
der Elfmeter für Heidenheim zum 2:2 vermeidbar gewesen, wenn man Haller an einem desaströsen
Tag nicht erst nach 80 Minuten auswechseln will?
Generell ist man in Fankreisen auch mit der abgelaufenen Transfer-Periode überhaupt nicht
zufrieden – und die Wechsel hatten durchaus Signalwirkung: Für einen dreistelligen Millionenbetrag
wird Jude Bellingham in Richtung Madrid ziehen gelassen. Nun gut, das war unvermeidbar. Der
ablösefreie Wechsel von Raphael Guerreiro nach München aber umso unverständlicher. Als Ersatz
gab es den umstrittenen Felix Nmecha, Marcel Sabitzer und kurz vor dem Ende des Transferfensters
noch Niclas Füllkrüg. Es fehlt die Fantasie, unterstrichen von den bisherigen Leistungen, dass mit
diesem Personal ein offener Meisterkampf möglich ist. Da scheint vor allem Leverkusen nach seinem
blitzsauberen Auftakt einiges Voraus zu sein. Und ein Erreichen des Achtelfinals in der Champions
League in der Gruppe mit AC Mailand, dem neureichen Klub Newcastle oder den PSG-Luxuskickern
aus der französischen Hauptstadt scheint in unerreichbare Fernen gerückt zu sein.
Wenn man etwas Positives sehen will, der BVB ist nach drei Spieltagen zumindest noch
ungeschlagen. Und die Pause kommt sicher nicht ungelegen.
Doch Terzic und der BVB brauchenzwingend eine Leistungssteigerung und Ergebnisse. Nach den Länderspielen geht es nach Freiburg, wo man in der Vergangenheit doch eher schlecht aussah oder nur dank kräftiger Beihilfe der Breisgauer die Zähler mit nach Westfalen genommen hat. Aber auch der SCF hat nach der deutlichen Klatsche gegen Stuttgart Wiedergutmachungsbedarf. Und mit Paris wartet am 19. September vor dem Heimspiel gegen Wolfsburg (23. September) und der traditionellen punktearmen Reise in den Kraichgau nach Sinsheim (29. September) das erste wirkliche Kaliber dieser Saison. Schon jetzt im Spätsommer stehen dem BVB richtungsweisende Wochen bevor, in denen er beweisen muss, sowohl in der CL als auch in der Liga ein Wörtchen mitreden zu können. Und wenn es nach so manchem BVB-Anhänger in den Sozialen Medien oder „Sky-Experten“ geht, wird auch über Terzic diskutiert werden müssen, sollte sich nach der Pause nicht schleunigst etwas ändern.