“Die Kirsche” meldet sich zurück aus der Sommerpause. Im dreiteiligen Redaktionsgespräch schauen wir auf allerhand Themen rund um den BVB. Der Anfang macht aber der Rückblick auf eine irgendwie verrückte Saison mit schwacher Bundesliga und Endspiel im Champions League Finale.

Die abgelaufene Saison endete mit etwas, was wohl niemand für möglich gehalten hat: dem Endspiel in Wembley. Dein Saisonfazit?

Andreas Römer: Man ist versucht, sich vom tollen Erfolg in der Champions League blenden zu lassen. Da war nach dem ersten Spiel in Paris eigentlich alles prima. Die Mannschaft hat gekämpft, taktisch gut agiert und mit dem nötigen Glück das Finale erreicht. Die Stimmung in London und Dortmund war unfassbar geil. Schade, dass es nicht mit einem Sieg gekrönt werden konnte. 

Die Dortmunder Fans jubeln auf der Südtribüne und halten ihre Fanschals hoch. Foto: Kirchner-Media

Natürlich gab es auch in der Bundesliga Positives. So ist der BVB die einzige Mannschaft gewesen, die nicht gegen den Meister aus Leverkusen verloren hat. Wollen wir jubeln, weil endlich mal wieder in München gewonnen wurde? Eher nicht! Immerhin hatte es in der Hinserie ein peinliches 0:4 gegen die Bayern gegeben. Als Einziger gegen Leverkusen nicht verloren, aber vermutlich auch der einzige Verein, der nicht gegen Mainz gewinnen konnte. Nein, es waren zu viele schreckliche Momente wie das 0:3 in Mainz. Und wenn es nicht den fünften Startplatz für die Champions League gegeben hätte, würden wir jetzt Europa League spielen. Denn unterm Strich waren die vier Mannschaften vor dem BVB deutlich stärker. Gegen Stuttgart gab es zwei Niederlagen und das Pokalaus,  gegen Leipzig zweimal verloren von den Bayern zuhause gedemütigt. Mehr war nicht drin?

Das mag man mit Blick auf die Einstellung in der CL so nicht akzeptieren. Also muss man schon sagen, dass die Ziele im Pokal und in der Liga nicht erreicht wurden.

Felix Trümper: Das Erreichen des Finals und die sehr guten Leistungen und tollen Abende in der Königsklasse waren für mich absolute Highlights und Fan Momente, die man niemals vergessen wird. Dafür würde ich jedes Mal wieder eine mittelmäßige Bundesliga Saison in Kauf nehmen 😉 Dennoch waren die Leistungen in der Liga teilweise peinlich und aus meiner Sicht vor allem auf fehlenden Einsatz und Mentalität zurückzuführen. Der BVB hat über weite Strecken der Saison keinen BVB-Fussball gespielt, das darf sich gerne wieder ändern. 

Falk-Stéphane Dezort: Mit dem BVB wird es einfach niemals langweilig. Und das ist auch gut so. Ein Jahr nach der verpassten Meisterschaft im Schlussspurt mal wieder im Champions League Finale zu stehen war etwas, dass man als Borusse nur ganz selten erlebt. Natürlich hätten sich alle eine bessere Rolle der Dortmunder in der Bundesliga gewünscht. Aber der BVB kann – historisch fundiert gesehen – einfach nicht auf zwei Hochzeiten gleich gut tanzen. Unterm Strich hat der BVB mit einer eher durchschnittlichen Mannschaft (im Vergleich zu den Jahren davor) das beste herausgeholt.

Der alte und der neue Trainer: Edin Terzic und Nuri Sahin. Foto: Kirchner-Media

Was sagst du zum Terzic-Rücktritt und Sahin als Nachfolger?

Andreas: Vermutlich ist es viel zu früh, hier etwas zu kommentieren. Mir hat an Edin Terzic immer seine unerschütterliche Liebe zum Verein imponiert. Allerdings hat er taktisch nur in der Champions League sichtbar Einfluss aufs Spiel genommen. Sonst sah es für mich häufig so aus, dass der Plan fehlte oder falsch war. Und wenn der Plan für alle sichtbar falsch war, schien Terzic nicht in der Lage, während des Spiels nötige Korrekturen vorzunehmen. Gefühlt fehlte ihm in der Mannschaft und im Umfeld die Rückendeckung, mal etwas Spektakuläres zu machen, es sah manchmal nicht nach voller Überzeugung aus.

Dazu kam der stete Kampf gegen alle Kritiker. Jede Pressekonferenz geriet zu einer Verteidigungsrede. Man hat Terzic zum Ende immer mehr angemerkt, wie sehr ihn das genervt hat. Doch leider ist er zu brav geblieben, hat immer die gleichen Sätze wiederholt und sich damit eben auch schlecht verkauft.  Seine Liebe zum Verein hat ihn hier zu sehr belastet, sonst hätte er mal öffentlich die Mannschaft kritisiert, wenn sie wieder einen Scheiß zusammengespielt hat. So hat er jetzt einen unbefriedigenden Abgang hingelegt.

Auf Nuri Shain bin ich tatsächlich gespannt. Auch ihm kann man in jedem Fall ein schwarzgelbes Herz zusprechen. Aber reicht das am Ende? Seine Erfahrung als Trainer ist überschaubar, da liegt schon ein Stück Risiko. Vermutlich kommt es in den ersten Wochen auf das interne Standing an. Hat er etwas zu sagen, wenn Sven Mislintat und Sebastian Kehl irgendetwas aushecken? Kann er sich bei der Mannschaft als Autorität durchsetzen? Hat er den Mumm, etwas zu verändern? Ich wünsche ihm in jedem Fall einen Arsch in der Hose, um sich zunächst im Haifischbecken Borussia und dann in der Liga zu behaupten. Zu Beginn sehe ich das aber vor allem erst einmal als ein spannendes Experiment.

In der CL gab es Fußball-Feuerwerke. Beispielsweise beim 4:2 gegen Atletico Madrid. Foto: Kirchner-Media

Felix: Rücktritt oder einvernehmliche Trennung das ist für mich noch die Frage und wird abschließend wahrscheinlich nie vollständig beantwortet werden. Terzic hat viel geleistet und sich aufgeopfert aber es nie wirklich hinzu bekommen der Mannschaft eine Handschrift zu verleihen und einen attraktiven Fussball auf den Rasen zu bringen. Die Ergebnisse waren über weite Strecken da, aber oftmals hat man sich anhand von Ergebnissen auch vielen Schön geredet beim BVB, nicht nur Terzic. Nach dem Rücktritt / Trennung war Sahin mit seinen zuvor schon oft geäußerten Ambitionen die naheliegende Lösung. Ich traue ihm zu dem BVB neues Leben einzuhauchen und wieder attraktiven und offensiven, mutigen Fussball spielen zu lassen. Dennoch kann man gespannt sein wie groß das Vertrauen in einen jungen Trainer ist, wenn es nicht direkt laufen sollte.

Falk-Stéphane: Ich mochte Edin, und ich hätte mir gewünscht, dass er weitermacht. Ich bin gespannt, ob Sahin jetzt einen Job macht, der die Meistern Terzic-Hater (dank ihm standen wir kurz vor der Meierschaft und im CL-Finale) zufriedenstellt. Oder werden wir beim Winterpausen-Redaktionsgespräch schon über eine Sahin-Entlassung philosophieren.

Welchen Eindruck hat der BVB in der vergangenen Saison bei dir hinterlassen?

Andreas: Unaufgeräumt – das Wort beschreibt meinen Eindruck vielleicht ganz gut. Die Prioritäten waren nach meiner Wahrnehmung ein bisschen aus dem Fokus geraten. Das Umfeld war aufgeregt, weil Watzke seinen Rücktritt angekündigt hatte. Zu viel Zeit wurde auf Spekulationen verwendet, wer was im Verein werden könnte. Dabei sind wichtige andere Dinge ein bisschen vernachlässigt worden. Von daher überrascht im positiven Sinne, der Erfolg im internationalen Geschäft. Zeigt aber auch Gründe, warum in der Liga irgendwie die ganze Saison zu wenig gekommen ist. “Echte Liebe” war ein bisschen wenig.

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Ins CL-Finale einzuziehen, hätte vor der Saison wohl niemand erwartet. Foto: Kirchner-Media

Felix: Zwei Gesichter (Liga/ CL). Meiner Meinung nach haben wir uns viel zu oft auch von kleineren Gegner das Spiel vorgeben lassen und nur reagiert, statt zu agieren.

Falk-Stéphane: Himmel und Hölle. Auf grandiose Spiele wie das 4:2 gegen Atletico Madrid folgten zu oft richtig Trümmerkicks gegen Mainz oder Stuttgart. Konstanz ist ein Wort, das man beim BVB wohl schon seit Jahren nicht mehr kennt.