Mit zehn Mann und einer enormen Willensleistung sowie einem Roman Bürki in Weltklasseform, erkämpfte sich der BVB das Achtelfinale in der Champions-League, auch dank des 2:1 Siegs von Barcelona gegen Inter Mailand. Viele kleine Fehler und eine Prager Mannschaft, die die Erwartungen erfüllte, nie aufsteckte und selbstbewußt auftrat brachten den BVB zwar ins Wanken – aber letztendlich hielt Bürki den von Sancho und Brand herausgeschossenen Sieg fest.
Die Ausgangslage
Gewinnen war die Devise und hoffen, dass die B-Elf von Barcelona im San Siro gegen Inter zumindest ein Unentschieden holt. Nach dem unterirdischen Auftritt in der katalanischen Hauptstadt waren die Borussen durch die 1:3 Niederlage auf Schützenhilfe angewiesen. Wie so oft im letzten Spiel der Gruppenphase, brauchte sich der Tabellenerste Barcelona, keine Sorgen mehr ums Weiterkommen machen und trat daher z.B. ohne Messi im Kader in Italien an. Durch den schlechteren direkten Vergleich gegen Mailand wäre Inter bei Punktgleichheit weiter und Borussia müsste in die um ein Vielfaches schlechter dotierte Europaleague „absteigen“.
Personell konnte Favre wieder auf den in der Bundesligapartie gegen Düsseldorf gesperrten Mats Hummels zurückgreifen. Dafür hatte sich Axel Witsel durch einen Treppensturz eine so schwere Gesichtsverletzung zugezogen, dass er operiert werden musste, und bis Weihnachten ausfällt. Hoffentlich kann man aus der Not eine Tugend machen und taktisch neu formiert im Mittelfeld neue Akzente setzen.
Der Spielverlauf
Der BVB begann mit der seit kurzem bewährten Dreierkette Zagadou, Hummels und Akanji, davor Weigl und Brandt, auf den Aussen Hakimi und Guerreiro sowie vorne Sancho, Hazard und Reus sehr offensiv.
Nach dem ersten Vorgeplänkel und Strafraumkontakt der Prager gehen die ersten Angriffe mit schnellen Kombinationen gen Gehäuse von Kolar. Die 7. Minute verzeichnete die erste größere Chance für die Tschechen. Brandts Steilpass auf Reus, quer auf Sancho, der braucht nur noch den Fuss hinzuhalten, 1:0 (10.). Ein geniales und schnelles Zusammenspiel lässt die Fans und die Mannschaft vom Achtelfinale träumen.
Mit Chancen am Fließband geht es weiter, erst Brandt der sich ein Doppelpassduell mit Sancho liefert, aber letztendlich den Ball zu weit vorlegt. Brandt auf der Schaltstation macht sich sofort wie im Spiel gegen Düsseldorf bemerkbar.
Trotzdem bleiben die Rotweißen gefährlich und zum Glück haben wir Bürki im Tor, der einen Schuss von der Strafraumkante gerade noch um den Pfosten lenkt.
Aber auch Prag hat einen Torwart der einige Alleingänge von Reus, Mann gegen Mann entschärft. Kurzer Wackler von Bürki, der eine Flanke fallen lässt, danach wieder riesige Reaktionen aus kurzer Distanz, aber auch bei einem abgefälschten Weitschuss von Soucek.
Dann die 43. Minute, Konter für die Prager, Soucek markiert das 1:1 im selben Moment, in dem Inter das 0:1 von Barca aus der 23. Minute ausgleicht. Ein eisiger Wind fegt durchs Westfalenstadion.
Nicht wirklich glücklich so kurz vor der Pause. Damit wäre Borussia raus aus der CL. Die Abwehrreihe macht nicht den stabilsten Eindruck, insbesondere Akanji. Das Prag auswärts starke Auftritte hingelegt hatte war bekannt.
Bleibt auf die zweite Halbzeit zu hoffen. Chancen auf beiden Seiten aber die fehlende Konsequenz im Abschluss und zwei gute Torhüter verhindern eine höheres Unentschieden zur Pause. Für den neutralen Betrachter ein tolles Spiel, das rasant hin und her wogt.
Genauso geht es in der zweiten Hälfte weiter. Hin und her, Abspielfehler auf beiden Seiten, Ungenauigkeiten, manchmal einfach fahrig. Man fragt sich warum. Bei dieser Qualität auf Seiten des BVB und der Fähigkeit auch atemberaubende Kombinationen zu spielen.
Dann in der 61. Minute brennt es sprichwörtlich wieder im Strafraum von Slavia. Brandt ist wieder im Focus. Nach einem feinen Anspiel von Sancho in den Strafraum findet Brandt die Lücke zwischen Pfosten und Torwart Kolar. 2:1 Führung.
Aber trotzdem kommt irgendwie keine Ruhe in die Hintermannschaft des BVB. Bürki wird zum Retter in der Not und avanciert zum besten Mann auf dem Platz.
76. Minute, jetzt auch noch gelb/rot für Weigl. Borussia spielt nur noch zu zehnt. Piesczek kommt jetzt für Hazard, Ballerdi mit seinem Debut für Hakimi. Dahoud für Sancho (86.)
Tor für Barca hallt es durchs Westfalenstadion, Riesenjubel und nochmal ein Motivationsschub für die entkräfteten Schwarzgelben die sich nur noch über die Zeit retten wollen.
Freistoß für Prag in der Nachspielzeit, noch einmal Zittern – dann der erlösende Schlusspfiff. Auch in Mailand bleibt es beim 2:1 Sieg für Barcelona. Damit überwintert der BVB unter den Besten Europas, und kann weiter träumen. Allerdings muss im Winter noch ein wenig am Abwehrverhalten gefeilt werden, um auch in der K.O.-Runde konkurrenzfähig zu sein. Ach ja und ein echter Stürmer sollte noch her, der die vielen Chancen auch mal verwertet.
Wer heute gut schlafen kann
Die mitgereisten Prager Fans, die wohl einen schönen Tag in Dortmund verlebt haben und am Ende trotz der Niederlage mit ihrer Mannschaft gefeiert haben.
Ein strahlender Lucien Favre, der wieder einen Schritt aus der Krise gemacht hat und seiner Mannschaft wahrlich kein Motivationsproblem vorwerfen kann.
Wer Albträume hat
Favres Kritiker, die momentan immer mehr verstummen und händeringend nach Kritikpunkten suchen, da der Kampf und die Ergebnisse stimmen, er selbst immer emotionaler wird und dies auch auf die Mannschaft überträgt.
Was uns sonst noch aufgefallen ist
Viele friedliche Prager Fans bevölkerten vor dem Spiel die weihnachtlich geschmückte Innenstadt und deckten sich im BVB Fan Shop mit schwarzgelben Utensilien ein. Allerdings war auch das große Polizeiaufgebot auffällig, da die Polizei das Spiel als Hochrisikospiel eingestuft hatte. Auf jeden Fall werden sich die Slavia Supporter im Westfalenstadion wohler gefühlt haben, als im Auswärtsfan(verschlag)block in Barcelona. Keine Plexiglasscheibe die die Sicht behindert und Stadionatmosphäre fernhält.
Borussia Dortmund: Bürki, Zagadou, Hummels, Hakimi, Akanji, Sancho, Reus, Guerreiro, Brandt, Hazard, Weigl
Slavia Prag: Kolar, Coufal, Stanciu, Olayinka, Kudela, Boril, Skoda, Soucek, Seycik, Takacs, Masopust
Schiedsrichter: Karasev (RUS); Assistenten: Demeshko (RUS), Gavrilin (RUS); Vierter Offizieller: Lapochkin (RUS)
Zuschauer: 65079
Lucien Favre nach dem Spiel:
Bürki war fantastisch.
Verrücktes Spiel.
Wir sind die einzigen in dieser Gruppe die zu Hause gegen Slavia gewonnen haben.
Wir müssen auch mal positiv reden.
Wir hatten viele Chancen am Anfang des Spiels.
Es war eine schwere Gruppe, es ist fantastisch sich in der Gruppe zu qualifizieren
10.12.19, Oliver Römer; Bilder: Falk Dezort