Der BVB verliert in Hoffenheim mit 1:2 und das erst in den letzten zehn Minuten. So verliert der selbsternannte Meisterschaftskandidat die Liga-Spitze aus den Augen.

Als Fan kann man sicher getrost von einem „Kackabend“ sprechen. Fünf Stunden kämpft man sich durch den Freitag-Feierabend-Weihnachtswochende-Start-Verkehr durch Dunkelheit, Regen und Megastaus in das Kuhdorf Sinsheim. Dort muss man Folklore ertragen wie das Badnerlied, das übergeht in Neil Diamonds „Sweet Caroline“ damit das Volk eifrig „Oh, Oh, Oh“ brüllen kann und dann folgt Rammstein – die spinnen die Badner! Und dann fährt der Fan später nach einem bitteren Fußballspiel enttäuscht nach Hause. Völlig unerklärlich stellt die Borussia kurz vor Schluss das Fußballspielen ein und guckt den Gastgebern einfach nur zu, wie sie einen 0:1-Rückstand noch in einen 2:1-Sieg verwandelt.

Roman Bürki fassungslos

Nein, Roman Bürki wollte man gestern Abend sicher auch nicht sein. Zu halten gab’s nämlich eigentlich nix. Und dann stehen zunächst zwei blaue – ausgerechnet blau – völlig frei vor einem und nach 80 Minuten steht es 1:1. Wie geht so etwas? Die eigene Mannschaft hat doch 8:0 Ecken, 9:3-Torchancen und das Spiel total im Griff. Um den Abend dann endgültig auch für Bürki zu versauen, kommt nur drei Minuten vor Schluss schon wieder Hoppenheim und kann völlig unbedrängt flanken und in der Mitte kommt auch noch der Rekordtorschütze der Gastgeber zum Kopfball und versenkt den Ball unhaltbar im langen Ecke. Das gibt es doch gar nicht!

Leider doch! „Wir haben in dieser Woche fünf Punkte verloren. Erst zwei gegen Leipzig und jetzt hier drei“. Sebastian Kehl brachte es nach dem Spiel auf den Punkt. Was er nicht sagte: Mit den unglücklichen oder unverständlichen Ausgleichstreffern in Frankfurt und Freiburg, der unnötigen Niederlage in Berlin fehlen ja weitere sieben Punkte. Das dürften genau so viele sein, wie der BVB zur Halbzeit hinter der Spitze und damit hinter den eigenen Ansprüchen herhinkt.

Was war passiert?

Borussia musste ohne Kapitän Reus antreten. Den durfte mal wieder Götze ersetzen. Ansonsten lief die gleiche Truppe wie gegen Leipzig auf. Der BVB hatte in Halbzeit eins alles im Griff. Hoffenheim hatte bis auf einen Freistoß keinen einzigen Angriff mit einem Hauch von Gefahr nach vorn gebracht. Und gegen die schnellen Hazard und Hakimi auf der rechten Seite fanden die Hoppenheimer kein MIttel. Skov eigentlich als offensiver Außenbahnspieler gedacht, der das eigene Spiel antreiben sollte, fand sich viel zu oft von den beiden Borussen an- und überlaufen. Immerhin blieb dem jungen Dänen es vorbehalten, die einzige TSG-Chance zu haben. Sein Freistoß aus gut 25 Metern krachte an die Latte.

Zu viele Blaue…

Doch auch da hatte der BVB die gleiche Anzahl zu bieten. Als Hazard aus 16 Metern abzog und Baumann den Ball so eben noch an die Latte lenken konnte. Und nach Tore führte der BVB ja auch. In der 17. Minute hatte einer der fixen Angriff über die rechte Seite zur Führung gelangt. Hakimi stürmte bis an den Fünfer, legte quer und Götze schummelte das Ding am Torhüter vorbei über die Linie. Leider das einzige Tor.

Fehlende Konsequenz

Kurz und schlecht: Der BVB hätte zur Halbzeit eigentlich höher als nur 1:0 führen müssen. Götze schon nach fünf Minuten, Sancho, Hazard und Hakimi alle hatte ganz passable Einschussmöglichkeiten. Doch es fehlte mal wieder die letzte Konsequenz im Abschluss.

Und hinten brannte wahrlich nicht viel an. Nur ein zweimal kamen eher Zufallspässe durch Freund und Feind und sorgten für etwas Hektik vor dem Borussen-Strafraum. Immerhin musste Akanji dort einmal ein taktisches Foul begehen, was eine Gelbe Karte und den Skov-Kracher einbrachte. Wenn irgendetwas nicht ganz koscher war, dann zumeist durch eigene Fehler, die Schulz und auch Weigl mit unsauberen Abspielen hin und wieder einstreuten.

Den Sack nicht zugemacht

Julian Brandt konnte seine Chancen auch nicht nutzen.

Und auch die zweite Halbzeit brachte nur eine Erkenntnis: Borussia verpasste es, den Sack zuzumachen. Reihenweise Aktionen vor und im TSG-Strafraum und keiner brachte den Ball über die Linie. Die oftmals scharfen Hereingaben von Hakimi fanden – wie so oft – keinen Abnehmer im oder am Fünfmeterraum. Sie machten einfach das erlösende zweite Tor nicht. Sancho, Brandt, Akanji, Götze alle verpassten oder wurden im letzten Moment gestört. Alcacer kam erst, als es zu spät war.

Blöd, dass nicht mehr viel gewechselt werden konnte. Hummels musste zur Pause raus, er hatte sich schon früh nach einem Eckball vor dem gegnerischen Tor die Hand verletzt. Für ihn kam Routinier Pisczcek. Ebenfalls in der Kabine blieb Hazard, der durch Bruun Larsen ersetzt wurde. Insgesamt merkte man dem Team mit fortlaufender Spieldauer die Müdigkeit an. Die letzten erfolgreichen Wochen hatten offenbar an den Kräften gezehrt. Das Zurücklaufen fiel einigen zusehends schwerer.

Da jubeln „die falschen“.

Hoppenheim wechselte dann auch noch offensiv und spürte die Dortmunder Müdigkeit. Viel brachte sie nicht einmal zustande. Aber zwei gefährliche Bälle vor den BVB-Kasten reichten dann tatsächlich das Ding zu drehen und wieder einmal Hoffenheim als Sieger vom Platz gehen zu lassen.

Mehr als ärgerlich für den BVB. Hier hätte man nie und nimmer verlieren dürfen. Allerdings zeigt, dass ohne die Toppleute, die Mannschaft auch nicht so viel Wert ist. So hat zum Beispiel Bruun Larsen seine 45 Minuten nicht nutzen können, sich für weitere Auftritte zu empfehlen. Und die Dreierkette ohne Hummels wirkte am Schluss alles andere als sicher.

Weihnachtsurlaub – den haben sich die Kicker sicher verdient. Aber so wird das Fest für die Fans längst nicht wie gewünscht in guter BVB-Stimmung über die Bühne gehen. Wer hängt sich schon die Tabelle an den Baum, wenn der eigene Verein, der sich die Meisterschaft zum Ziel gesetzt hat, sieben Punkte hinter der Spitze, hinter den Bayern und im schlimmsten Fall auch noch hinter den Blauen steht?

Aus Hoffenheim: Andreas Römer (Text) und Falk-Stéphane Dezort (Fotos)