Traumwetter, volle Hütte und deine Mannschaft fegt die Werkself aus Leverkusen mit 4:0 aus dem Stadion, das klingt nach einem gelungenen Fußballnachmittag für einen BVB-Anhänger.

Doch genauso wenig wie die dämliche Niederlage bei Union Berlin den Verlust der Meisterschaft bedeutete, ist dieser deutliche Sieg schon der Gewinn der Meisterschaft. Wenn man da so manchen Medienvertreter hört, der ernsthaft behauptet „Der BVB meldet sich im Titelkampf zurück“ (WDR2) muss man schon ein bisschen den Kopf schütteln – nach vier Spieltagen solche Sprüche. Denn wer die erste Viertelstunde oder die ersten 20 Minuten gesehen hat und dann erst das Endergebnis sieht, wird sich ein bisschen verwundert die Augen reiben.

Gleich mit dem Anpfiff ging die Bayer-Jagd nämlich los: Jeder Borusse mit Ball wurde von zwei oder drei Gästen angelaufen, unter Druck gesetzt. Den Borussen blieb keine Zeit zur Ballannahme, sofort  stand ein Roter auf den Füßen. Ein-Kontakt-Fußball oder lange Bälle waren gefordert. Die Pressingmaschine a la Peter Bosz lief auf Hochtouren. Mutig muss man die Leverkusener schon bezeichnen. Selbst bei einem Freistoß vor dem eigenen Tor für den BVB blieben gleich drei Leverkusener an der Mittellinie, bereit für den schnellen Gegenstoß.

Doch mit dem wurde es dann meist doch nichts. Hier hatte BVB-Trainer Favre tatsächlich eine gute Lösung gefunden. Nachdem man als Außenstehender die Aufstellung von zwei Sechsern in den letzten Wochen gegen hinten kompakt verteidigende Mannschaften nicht immer nachvollziehen konnte, war diesmal Thomas Delaney der Matchwinner. Er legte nämlich Bayer-Superstar Havertz an die Kette, nahm ihm den Spaß am Spiel und zog damit der Werkself den Zahn. Ohne ihren Mittelfeldmann brachte die Bosz-Truppe vorn nur Harmloses zu Wege.

Und nach einer guten Viertelstunde übernahm auch Borussia mehr und mehr das Handeln. Allerdings immer noch anders, als man das im eigenen Stadion vielleicht erwartet. Nur 35 Prozent Ballbesitz zeigt, dass man sich vornehm zurück hielt. Borussia ließ die Werkself spielen und hielt nur immer schön weit vom eigenen Tor weg. Die Offensive der Leverkusener kann man dann auch mit einem Wort beschreiben: harmlos.

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Und als der BVB anfing selbst sein Spiel zu finden, mit schnellen Ballstafetten durch die Werkself-Verteidigung zu kommen, fing das Ganze an, den Fans Spaß zu machen. Die Chancen kamen dann fast folgerichtig. Nur Leverkusens Keeper Hradecky hielt seine Mannschaft im Spiel. Bis zu 24. Minute. Dann war es eine Szene nach dem Motto „nimm du ihn ich hab ihn sicher“ auf Seiten der Roten. An der Mittellinie schliefen Amiri und Bellarabi, Hakimi bedankte sich, nahm den Ball und stürmte Richtung Südtribüne. Eine präzise Flanke und der BVB-Knipser Paco Alcacer ist da, hält den Fuß hin und schon steht es 1:0.

Ausgerechnet Alcacer. Der hatte bis dahin noch kein Land gesehen, keinen Ball gegen Tah behaupten können. Doch er braucht nur einen Moment, entwischt seinen Verteidigern nur einmal und schon klingelt’s im Kasten. Immerhin schon der fünfte Saisontreffer.

Danach hat das Spiel ein komplett anderes Gesicht. Angriff auf Angriff läuft Richtung Hradecky. Bis auf einen Lattentreffer war aber nichts mehr dabei.

Borussia wird ja zumeist für seine überragende Offensive gelobt. Dieses Spiel wurde aber tatsächlich einmal vor allem in der Defensive gewonnen. Delaney wurde schon erwähnt, aber auch die Viererkette – neu formiert – brachte diesmal den Sieg. Außen spielten Hakimi, der gegen den schnellen Bellarabi durchaus mithalten konnte und Guerreiro, der wohl kurz vor der Vertragsverlängerung steht und selbst auch noch ein Tor schoss. Die Innenverteidiger Akanji und Hummels ließen auch nichts anbrennen und so verlebte Torhüter Bürki einen überraschend ruhigen Nachmittag.

Das lag aber auch an den Leverkusener Stürmern. Was die zustande brachten war maximal ein Lüftchen – von Sturm darf man nicht reden. Zwei dicke Chancen nach der Pause hatten sie, trafen aber nicht einmal das Tor. Selbst schuld!

Borussia bedankte sich gleich mit der ersten guten Aktion in der zweiten Halbzeit. Gerade schlich sich das Gefühl ein, dass der BVB sich kaum befreien kann, da schlug Akanji den Ball einfach mal schön die Linie entlang nach vorn. Sancho übernahm, hatte den Platz, den man ihm als Gegner besser nicht gibt, und spielte präzise auf Alcacer, der aber den Ball passieren ließ, wusste, dass Reus hinter ihm angestürmt kommt und der traf dann auch zum 2:0 nach 50 Minuten.

Dann konnte der BVB sein Spiel nach Herzenslust gestalten. Hinten sicher stehend, abwartend, den Gegner kommen lassen und hin und wieder mal einen schönen Konter setzen. Die Werkself gab nämlich nicht auf. Sie spielte weiter forsch nach vorn, presste und zwang den BVB immer wieder zu Fehlern, schon in der eigenen Hälfte. Aber die Abwehr stand sicher und so reichten zwei weitere Konter über Sancho auf Guerreiro und Bruun Larsen auf Reus, um noch zwei  schöne Kontertore zu einem ein bisschen zu hohen 4:0-Sieg einzutüten.

Was lehrt uns das? Wenn eine Mannschaft da ist, die Fußball spielen möchte, ist der BVB in der Lage, seine Klasse auszupacken. Am Ende stand der BVB mit 35 Prozent Ballbesitz da – den hat er mal effektiv genutzt. In Berlin hatte die Mannschaft noch über 70 Prozent Ballbesitz gehabt und viel zu wenig damit angefangen. Also liebe zukünftigen BVB-Gegner tut uns doch den Gefallen und versucht ein bisschen Fußball zu spielen, stellt euch nicht hinten rein und wartet, was die Schwarzgelben draus machen können.

Andreas Römer